Mit Unterleib und Seele
Ein Kommentar zur aktuellen Lage der Steuerdebatte auf Menstruations- & Hygieneartikel
Sich mit der Periode auseinandersetzen zu müssen, ist ja fast genauso unbequem, wie Regelschmerzen. Wohl deshalb wurde das Thema in einer öffentlichen Diskussion noch nie so wirklich angegangen. Weder die Verfügbarkeit der notwendigen Produkte in allen gesellschaftlichen Schichten, noch die Inhaltsstoffe von Dingen, die man freiwillig an die intimsten Orte lässt, noch der Preis, den wir dafür zahlen. Genau mit diesem Preis setzt sich eine immer größer werdende Community (von nicht nur Periode-Habern *yeay*) auseinander. Und warum? Weil es in Deutschland noch immer Gesetze gibt, die unseren Alltag beeinflussen, die jedoch ziemlich renovierungsbedürftig sind. Das Steuergesetz gehört auch dazu und ist in der aktuellen Debatte hoch im Kurs, da es Menstruierende, die auf Hygieneartikel, wie Tampons und Binden, zurück greifen wollen, benachteiligt. Denn diese Produkte gelten vor der Mehrwertsteuer als „Luxusartikel“, die mit 19% besteuert werden.
Noch! Denn eine medienwirksame Petition hat es jetzt in den Bundestag geschafft und könnte den, recht altmodisch geprägten, Gesetzgeber revolutionieren.
Ein paar Fakten
„bestimmte Güter des lebensnotwendigen Bedarfs“
Als der erste ermäßigte Steuersatz im deutschen Bundestag verabschiedet wurde, waren unter den Abstimmenden Politikern knapp 7% Frauen (hier bitte “Frauen” symbolisch für alle Menschen mit Menstruation hinnehmen). Das waren die späten 60er Jahre und „aufgeklärt sein“, wurde nur in anderen Zusammenhängen verwendet. Ein witziger Zufall ist es trotzdem, denn 7% ist seit 2007 der ermäßigte Steuersatz für alle Dinge des täglichen Bedarfs. Dazu zählen beispielsweise Lebensmittel und auch Ölgemälde … (Kunst). Was aktuell nicht mit rein zählt, sind Dinge des Tage-Bedarfs: Tampos, Binden, Menstruationstassen, you name it. Während der „Tage“ im Alltag also hygienisch nicht eingeschränkt zu sein, ist vor dem deutschen Steuergesetz ein Luxusgut. Verrückt? Ein bisschen!
Wer einen Uterus mit Menstruationshintergund besitzt, tut dies ca. 500 Mal im Leben und gibt dabei allein für Hygieneprodukte bis zu 5.000 Euro aus. Schmerztabletten, gynäkologische Untersuchungen, Wärmepflaster und Schoki für die Seele sind da noch gar nicht eingerechnet. Alles in allem kommt so, laut Schätzung der Huffington Post, sogar eine crazy Summe von rund 16.000 Euro Zyklus-Abgaben zusammen, die dann mal eben so nebenbei gestemmt werden müssen.
Das ist jetzt natürlich nicht alles mit einer Steuersenkung zu sparen, doch Kleinvieh macht eben auch Mist. Und da kommt die aktuelle Politik ins Spiel.
Die Petition
Bis zum 28.Mai haben mehr als 80.000 Menschen eine Petition an den Bundestag zur Steuersenkung für Tampons & Co. unterzeichnet. Genug, damit der Bundestag sich damit auseinandersetzen muss. Viele prominente Stimmen und medienwirksamen Rummel haben dabei auch deutsche Label initiiert, die sich für mehr Gleichberechtigung und Frauengesundheit einsetzen. Vor allem das vegane Brand einhorn, auf das u. A. die Initiierung der Petition zurück geht und The Female Company, die Bio Tampons online vertreiben. Letztere landeten einen Marketing Coup mit ihrem Tampon-Buch (Bücher versteuert Deutschland mit 7%). Auf 46 Seiten gibt’s viele Informationen zur ungerechtfertigten Luxus Besteuerung und als kleinen Zusatz auf der letzten Seite ein paar labeleigene Bio-Tampons. Ökologisch, gesünder und – mit knapp drei Euro für zwölf Tampons – günstiger. Für diesen Medien Stunt wurde das Label in den letzten Wochen online gefeiert und ist damit mittlerweile auch schon international bekannt.
Apropos International: Da im EU Parlament der Penis-Anteil immer noch recht hoch ist, ist es nicht verwunderlich, dass sich lieber mit krummen Gurken beschäftigt wird, als mit Hygieneartikeln für Menstruation. Doch das scheint sich jetzt geändert zu haben, denn im Europaparlament soll es gerade sogar Bestrebungen geben, jegliche „Tampon-Tax“ europaweit abzuschaffen. Auch die 7%. Viele europäische Länder wie Frankreich, die Niederlande und Spanien haben dies in ihren Landesgesetzen schon seit Jahren umgesetzt und sollten Deutschland als Vorbild für eine Steuerreform dienen. Und eine Steuerreform für Tampons schließt natürlich auch alle anderen, als Luxus kategorisierten Güter, nicht aus. Es bleibt also spannend.
Marie ist waschechte Wahlhamburgerin, arbeitet im Online Marketing und macht gerne gute Fotos und schlechte Witze.
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