Der Schnack No. 3 | Fünf Fragen über faire Mode
Janine Werth betreibt in der Hamburger Innenstadt den Eco Concept Store Werte Freunde. Auf 350 m² wird ein ansprechendes und umfassendes Sortiment an Naturkosmetik und Fair Fashion angeboten. Seit 20 Jahren ist Janine in der Eco-Branche unterwegs und engagiert sich mit Leidenschaft und Ideenreichtum für mehr Nachhaltigkeit in Mode und Kosmetik. In einer Zeit, in der die konventionelle Modeindustrie der Kultur den Rücken kehrt und sich auf Kosten unseres Planeten und vieler Menschen dem Kapital unterwirft, ist es wichtiger denn je sich über Alternativen zu informieren. An einem Freitagnachmittag sprechen wir mit Blick auf die U3 über Midi-Röcke, Pioniergeist, Umweltschutz und Liebe.
Wenn man beginnt sich mit dem Thema „faire Mode“ auseinanderzusetzen, kann es sein, dass man sich am Anfang ein bisschen erschlagen fühlt. Woher weiß ich, welchen Marken ich vertrauen kann? Worauf sollte ich achten?
Das Thema geht mit viel Recherche einher – man muss sich informieren, viel lesen, tief in die Materie einsteigen. Da reicht es nicht, nur einen Beitrag in irgendeinem Forum zu lesen, sondern man muss sich eingängig mit verschiedenen Quellen beschäftigen. Aber das ist auch ein Prozess – man wächst mit der Zeit hinein. Am Ende gehört immer noch Vertrauen dazu.
Es gibt Marken, die historisch gewachsen sind und schon immer nachhaltige Mode produziert haben. Als ich die Marken für den Laden ausgewählt habe, habe ich geguckt: Wer sind die Pioniere der Branche?
Dann ist es auch hilfreich, sich die Zertifikate anzugucken. Es gibt beispielsweise GOTS oder die Fair Wear Foundation. Der Begriff „Eco Fashion“ ist gesetzlich nicht geschützt. Darum wurden diese Siegel eingeführt, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu bieten, sich zu orientieren.
Ich glaube, die perfekte Mischung setzt sich so zusammen: Erst mal gucken, wer sind die Pioniere der Branche und was machen sie? Sich dann über Zertifizierung informieren. Und schließlich stellt sich die wichtige Frage nach dem eigenen Geschmack. Was gefällt mir überhaupt? Denn, was nützen die vorherigen Aspekte, wenn du die Kleidung nicht schön findest?
Über allem steht allerdings: Recherche, Recherche, Recherche. Anders geht es nicht, weil dieser Markt nicht richtig definiert wird. Die Herausforderung bei Eco Fashion besteht auch darin, dass es so viele Menschen gibt, die eine Rolle spielen. Die Lieferkette bei Mode ist immens lang. Alle Instanzen vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt zu kontrollieren ist extrem aufwändig.
Die Mode bei „Werte Freude“ ist auffällig schön kuratiert und zeigt immer wieder deutlich, dass fair nicht zwingend öko aussehen muss. Stellen wir uns einen Fantasie-Kleiderschrank vor. Was wäre deine Auswahl für Folgendes:
• Eine Jeans, die nicht nur zu allem passt, sondern auch eine richtig gute Figur macht
• Ein paar Schuhe für den Alltag
• Ein Oberteil, mit dem ich im Büro und auf dem nächsten Date punkten kann?
Wer sich eingehend mit fairer Mode beschäftigt, weiß, dass es mittlerweile nichts mehr gibt, was es nicht gibt.
Jeans: Im Moment ganz klar: Armedangels – und zwar die Modelle der DetoxDenim Kollektion. Das sind neue und langentwickelte Jeans, in die viel Arbeit und Überlegung investiert wurde. Ich würde behaupten, dass 80% der Frauen und Männer, die diese Jeans bei uns anprobieren, überrascht sind wie gut diese Hosen sitzen. Und jeder hat in diesen Jeans einen schönen Po.
Schuhe: Ganz klassisch: Veja in weiß. Wer braucht keine cleanen, weißen Sneaker?
Oberteil: Eine Bluse aus Tencel oder EcoVero. Das ist ein tolles neues Naturmaterial aus Holz. Es ist besonders weich und smooth, fühlt sich an wie Seide – ist aber etwas dicker und strapazierfähiger.
Faire Mode zu kaufen ist ein Schritt für mehr Nachhaltigkeit in der Textilbranche. Was kann ich noch tun, um einen positiven Beitrag zu leisten?
Generell finde ich, dass jeder ein bisschen sein Shopping-Verhalten reflektieren darf. Ich kann schon verstehen, dass man durch die Außenwelt getrieben ist, sich jetzt zum Beispiel spontan einen trendigen Long-Blazer zu kaufen, obwohl man vielleicht gar nicht der Typ dafür ist.
Als Erstes ist es essentiell seinen Konsum zu hinterfragen; als nächstes wo man einkauft. Und wenn man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, kommt man vielleicht auch irgendwann an den Punkt, an dem man die Kleidung, die man schon im Schrank hat, ganz anders anfängt wertzuschätzen.
Wenn man dann doch feststellt, dass ein Kleidungsstück für einen selbst nicht mehr in Frage kommt, ist es gut, Kleidung zurück in den Kreislauf zu geben. Aber auch da ist es wichtig sich zu informieren und das sinnvoll zu gestalten. In Hamburg ist Hanseatic Help zum Beispiel eine gute Anlaufstelle.
Jeder könnte anfangen, seine Garderobe zu gestalten und nicht irgendwie wahllos Kleidung zu kaufen. Man muss keine Trends mitmachen, wenn man sich in dem Kleidungsstück nicht gefällt.
Wenn man anfängt sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, ist das wie der Anstoß eines ersten Dominosteins. Stück für Stück hinterfragt man Ideen und Konzepte und wächst immer tiefer in das Thema hinein.
Du warst gerade auf der Berlin Fashion Week – kannst du einen kurzen Ausblick geben, wohin die Fair Fashion Reise im nächsten Jahr gehen wird?
Ich habe festgestellt, dass es sehr viel um die Materialien der Zukunft ging. Was sind überhaupt ressourcenschonende Materialien? Wie können wir Produktionen auch in Zukunft sicher stellen? Müssen wir nicht auch weg von Bio-Baumwolle? Die verbraucht zwar 90% weniger Wasser als konventionelle Baumwolle, aber es wird ja nach wie vor Wasser in der Produktion verbraucht. Es geht darum, dass wir schon viel haben. Wie schaffen wir es beispielsweise zirkulär zu produzieren? Wie ist es möglich, aus Vorhandenem etwas Neues zu erschaffen? Am Ende ergibt es auch nur Sinn, wenn wir von etwas leben, das nicht jeden Tag diesen Planeten belastet.
Die Eco Fashion Branche ist eine Mischung aus Modemachern, Ingenieuren und Umweltschützern, die danach streben den Status Quo zu verbessern. Das finde ich so faszinierend. Es macht Spaß Marken einzukaufen, wenn du weißt, mit wie viel Hingabe und Ideenreichtum ein Produkt entwickelt wurde – nicht unter Druck, Schmerz und Leid.
Haben wir noch etwas Wichtiges vergessen?
Zum Thema kaufen: Man sollte nur das kaufen, was man wirklich liebt und benötigt. Man sollte beim Anprobieren dieses schöne Gefühl entwickeln. Kennst du das, wenn man etwas ganz toll findet und es so ein bisschen anfängt zu streicheln? Eine Freundin von mir hat die Entscheidungsfindung mal so beschrieben: Ist es ein Flirt oder Liebe? Wenn es nur ein Flirt ist, sollte man es wieder zurückhängen.
Vielen Dank an Janine Werth, die mich inspiriert und dabei nie dogmatisch ist, mich mit ihrer Begeisterung für Bienen zum Lachen bringt und uns allen zeigt: Du kannst auch in fairer Mode super gut aussehen.
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