Träumen – im Zwiegespräch mit sich selbst [Lesetipp]
Da stehe ich nun vor diesem schneeweißen Zaun in idyllischer Vorstadtatmosphäre. Dahinter befindet sich ein weißes Haus mit weißen Türen und Fensterrahmen, weißem Dach und einer weißen Garage. Genau genommen ist alles weiß mit einer Ausnahme: der Rasen leuchtet in saftigem Grün. Die weiße Garagentür öffnet sich und heraus kommt ein Bullterrier.
Ratet welche Farbe er hat! Seine Bewegungen sind geschmeidig und dennoch – oder gerade deshalb – ist er angsteinflößend. Auf dem Boden der Garage liegt seine Beute: ein weißes Ticket. Es ist mein Ticket und es ist Gold wert, denn es handelt sich dabei um meine Eintrittskarte zum SonneMondSterne Festival, das natürlich bereits ausverkauft ist. Ich will es zurück haben. Meine einzige Waffe ist ein weißer Regenschirm. Nach einigem Zögern nehme ich all meinen Mut zusammen und springe über den Zaun. Der Bullterrier rennt auf mich zu. Als er zum Sprung ansetzt und sein Maul öffnet ziehe ich in einer fließenden Bewegung den Regenschirm hervor, halte ihn wie ein Schwert vor mich und als die weiße Bestie ihn bereits halb im Maul hat betätige ich den kleinen Knopf zum Öffnen des Schirms. Ich wache auf.
Es muss an die 10 Jahre her sein, dass sich dieses Szenario in meinem Kopf abgespielt hat während ich schlief. Es ist einer der wenigen Träume den ich selbst nach so langer Zeit noch sehr lebhaft im Gedächtnis habe. Das ist nicht verwunderlich, denn Träume sind ausgehend vom aktuellen Forschungsstand scheinbar nicht dazu gedacht sich stetig an sie zu erinnern und das obwohl wir sie täglich (oder viel mehr nächtlich) haben. Ihr kennt das sicher: man wird mitten in der Nacht oder am Morgen wach und hat noch eine Idee dessen was sich während des Schlafes im eigenen Kopf abgespielt hat, aber wenn man sich nicht bewusst damit auseinandersetzt, verblassen die Bilder sehr schnell und verschwinden schließlich ganz aus dem Gedächtnis.
Das ist darauf zurückzuführen, dass während des Schlafens die Frontallappen der Großhirnrinde weitestgehend abschalten. Dieses Areal ist unter anderem für die temporale Einordnung von Erlebnissen und die Bildung von Erinnerungen verantwortlich. Sie sind daher extrem wichtig für unser Gedächtnis. Dass sie während des Träumens weniger aktiv sind erscheint durchaus sinnvoll, denn wenn unser Hirn jeden Traum wie ein reales Ereignis während des Wachlebens behandeln und abspeichern würde, dann könnten wir ggf. nicht mehr zuordnen was Traum und was Realität war.
Dennoch kann man sich an den ein oder anderen Traum sehr lebhaft erinnern. Wie oft und intensiv ist sehr individuell und von den spezifischen Hirnaktivitäten während des Schlafens abhängig. Hierzu gab es in der Vergangenheit bereits verschiedene Experimente und Studien. Häufig sind es beispielsweise die Menschen mit leichtem Schlaf bzw. Personen die nachts vermehrt aufwachen, welche sich dann auch oftmals an ihre Träume erinnern. Gleiches stellte man bei Probanden mit einer guten bildlichen Vorstellungskraft fest. Es zeigte sich zudem, dass depressive Menschen weitaus seltener Erinnerungen an ihre Träume haben. Die Forschung steckt hier allerdings noch in den Kinderschuhen und eine konkrete bzw. allgemein gültige Verbindung von Persönlichkeitsmerkmalen zur Fähigkeit von Traumerinnerung ist bislang nicht gelungen.
Insgesamt sind Traumbilder also eher schlecht greifbar und aufgrund der fehlenden Wiederholung gehen sie selten ins Gedächtnis über. Es ist daher naheliegend, dass wir uns vor allem an die Träume erinnern, welche wir mehrfach haben oder die besonders starke Emotionen in uns auslösen. Häufig hat man dann keinerlei Probleme diese zu deuten – so bizarr sie auch sein mögen. Denn im Traum werden in der Regel die emotional wichtigen Aspekte des Wachlebens behandelt. Nicht selten vermischen sie sich mit Kindheitserinnerungen oder fantastischen Elementen. Träume neigen zudem häufig zur Übertreibung. Selbst banale und im Wachzustand kaum wahrnehmbare Ängste und Sorgen können in der Nacht zu regelrechten Bedrohungen werden. So suspekt der Traum auch sein mag – vergleicht man ihn mit seiner aktuellen Lebenssituation und den Themen die einen aktuell besonders beschäftigen, dann ist der Zusammenhang bzw. die Bedeutung des Traums meist recht schnell deutlich.
Träume können aber auch mit Sorgen und Themen zu tun haben, die wir im Wachzustand unbewusst von uns wegschieben oder einfach nicht als wichtig erachten. Dann wird es mit der Deutung ggf. schwieriger, da ein rätselhafter Traum aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit der Thematik im Wachzustand nicht so einfach zu entschlüsseln ist. Hinzu kommt, dass uns im Traum eben nicht immer Handlungen gezeigt werden, die wir 1:1 aus der Realität kennen, sondern es sind teilweise abenteuerliche oder groteske Situationen, welche die Botschaft vielmehr über Gefühle vermitteln, als über konkrete deskriptive bildhafte Ereignisse.
Ich selbst hatte über etwa 1,5 Jahre hinweg einen solchen Traum, den ich nicht richtig zu werten vermochte. Erst als ich im vergangenen Jahr meine Lebenssituation in einigen Punkten veränderte, verschwand er. Dennoch blieb mir der Traum ein Rätsel. Eine entscheidende Deutungshilfe war mir Julia von Beautyjagd mit der ich mich bei einem unserer letzten Treffen zufällig über das Thema unterhielt. Danach gelang es mir die entscheidenden Emotionen des Traums noch genauer in Zusammenhang mit meiner damaligen Lebenssituation zu reflektieren. Dieses Erlebnis machte mir bewusst wie wenig feinfühlig ich mir manchmal selbst gegenüber zu sein scheine. Natürlich zeigte es mir auch wie bedeutend die nächtlichen Bilder sind. Hätte ich den Traum früher interpretieren können, hätte ich vielleicht vor über einem Jahr bereits ganz anders agiert.
Ausgehend von diesem Erlebnis und um mich in der Deutung meiner Träume zu schulen, schreibe ich seit kurzem ein Traumtagebuch. Wie eingangs erwähnt, konnte ich mich bisher nur selten an mein nächtliches Kopfkino erinnen. Tatsächlich führte aber allein die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und das Vorhaben sich am nächsten Morgen an das Geträumte zu erinnern dazu, dass mir die Bilder der Nacht häufiger im Gedächtnis bleiben, wenngleich dies nicht täglich der Fall ist.
Diese neue Welt ist teilweise spektakulär. Vor zwei Wochen verabschiedete ich mich von Douglas Greed um im Anschluss einen dunklen Parkour mit Messerwerfern und Feuerspeiern unbeschadet zu durchqueren. Am Ziel angekommen wurde ich von eine Schar Cheerleadern herzlich begrüßt. „Keine Macht den Drogen!“ stand auf einem ihrer Transparente. Nur wenige Tage später habe ich einen jungen, hübschen Millionär halbherzig davon abgehalten mich zu küssen. Wir erlitten gerade Schiffbruch auf stürmischer See. Am nahe gelegenen Strand angekommen entdeckten wir eine verletzte Robbe und verarzteten sie so gut es eben ging. Sie überlebte. Und erst vorgestern versuchte ich meinen Job als Fotografin korrekt auszuführen, aber zwischen mich und das hübsche Model drängte sich immer wieder eine formverändernde Pflanze. Nicht mal ein Selfie gelang uns. Aber egal wie abstrakt diese Szenarien scheinen, die Interpretation fällt mir zumeist leicht. Ich kann sie fast immer mit einer Grundstimmung, einem oder mehreren Ereignissen vom Vortag bzw. aus jüngster Vergangenheit in Verbindung bringen. Sie vermischen sich mit (Bewegt)Bildern, die ich gesehen und Informationen die ich gelesen habe.
Für die Verschriftlichung meiner Träume habe ich mir in Anlehnung an den oben beschriebenen Traum ein weißes Notizbuch von Moleskine gekauft. Wenn ich am Morgen erwache und mich tatsächlich noch an ein Szenario erinnere, dann gehe ich es gedanklich noch einmal durch oder sage es mir laut auf, sodass ich es im Gedächtnis behalte. Wenn ich dann Zeit dazu finde notiere ich in meinem Buch zuerst das Datum und dann die Grundstimmung des Tages zuvor. Daraufhin beschreibe ich den Traum und die Emotionen in einfachen Sätzen. Erst im Anschluss beginne ich den Traum in Stichpunkten zu werten und Parallelen aus dem Wachleben zu ziehen. Bereits das ein oder andere Mal war ich überrascht welche scheinbar große Bedeutung mein schlafendes Ich einem für mich bis dahin weniger wichtigen Erlebnis zugeschrieben hat. Für die Interpretation von Träumen scheint es übrigens nicht sonderlich sinnvoll zu sein auf Webseiten oder Bücher zurück zu greifen, welche Trauminhalte anhand einzelner Elemente oder Symbole ganz allgemein erklären. Der Träumende selbst ist der Schlüssel zur Botschaft. Natürlich ist nicht jedes nächtliche Ereignis gleich bedeutsam. Manchmal verarbeiten wir eben „nur“ die Erlebnisse des Tages. Fest steht aber, dass Träume eher selten absolut bedeutungslos sind.
Wer nun neugierig geworden ist, dem empfehle ich die aktuelle Ausgabe der Psychologie Heute Compact Heft 37 zum Thema Träume. Die im Artikel erwähnten (wissenschaftlichen) Erkenntnisse sowie einige Empfehlungen zur Umsetzung eines Traumtagebuches stammen aus dieser Sonderausgabe der Psychologie Heute, welche aktuell für 7,50 € im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder online erhältlich ist. Ich habe die knapp 100 Seiten regelrecht verschlungen und viele Anregungen erhalten.
Erinnert ihr euch häufig an eure Träume? Setzt ihr euch bewusst mit den Inhalten auseinander? Welches ist der skurrilste Traum an den ihr euch erinnert?
Ohhhh, da werde ich jetzt wirklich mehr als rot, für diese nette Erwähnung unseres Gesprächs! Deine aktuellen Träume sind ja wirklich wild, bei Dir scheint (innerlich) einiges los zu sein ;) Und das Heft interessiert mich nun auch. Liebste Grüße :)
So wild geht es nicht jede Nacht zu, aber es ist teilweise schon sehr kurzweilig. :D
Vielen Dank noch einmal für deine treffende Interpretationshilfe. :)
Hey liebe Jess,
danke für den tollen Beitrag übers Träumen. Ich gehöre auch zu denen, die sehr lebhafte und intensive Träume haben und die sich gut erinnern können. Oftmals wache ich auf und denke mir „Man ey, du bist echt nicht richtig in der Birne :D“ weil es schon wieder so abgefahren war. Ich hab auch ganz oft das Bedürfnis, darüber zu berichten, weil die Träume häufig auch meine Stimmung „am Tag danach“ beeinflussen. Insofern scheint mir ein Traumtagebuch sinnvoll, ich werd mir allerdings eins mit Schloss besorgen ;-)
Die Schlussfolgerung, dass du feinfühliger mit dir selbst werden möchtest, finde ich gut. Da denk ich auch mal drüber nach.
Liebste Grüße und schöne Träume :)
smuelgi
Ja das stimmt – der Tag beeinflusst nicht nur die Träume, sondern der Traum auch den Tag danach. Genau deshalb möchte ich auch mehr darauf achten was mir meine Träume „sagen“ wollen. Kamst du inzwischen mal dazu rein zu lesen?
P.S: Die Zeitung habe ich mir gleich bestellt. Ich hatte mir eine Ausgabe von Psychologie heute letzten Sommer schon mal gekauft und fand die sehr informativ und gut verständlich.
ich träume sehr viel, quasi jede nacht und sehr intensiv und gott sei dank fast immer positives bis neutrales. und was ich fast immer kann, ich erninnere mich dran was ich geträumt habe, ich träume manchmal so intensiv, das ich, wenn ich aufwache, mich erst in der „realen“ welt zurecht finden muss, das finde ich manchmal total krass. dann such ich den weißen mercedes mit flügeln und den apfelbaum auf dem ich wohne :-)
ich hab einmal vom tod meiner ma geträumt, das war so echt, ich bin weinend aufgewacht, das war ein unfassbar schreckliches gefühl….aber ein alter volksglaube sagt ja, wenn man vom tod des anderen träumt, dann lebt er lange *puh
träumen find ich toll, ist ein wenig die flucht aus dem oft anstrengenden alltag, ich bin immer wieder gespannt was als nächstes kommt, vielleicht schreib ich sie mal auf und frage mister spielberg ob er das verfilmen will ;-)
Coooooool – ich will auch auf einem Apfelbaum wohnen. :D
Dass du meist positiv träumst ist eine tolle Sache….in der Psychologie Heute Compact war unter anderem auch zu lesen, dass Menschen mit einer positiven Grundhaltung bzw. einem lebenslustigen Gemüt auch fast immer positiv träumen.
Bei sehr realen Träumen, die nichts mit fantastischen Begebenheiten zu tun haben, brauche ich auch manchmal ein paar Minuten um mich wieder zurecht zu finden. Ganz furchtbar wenn sie auf solchen Verlustängsten beruhen wie der Traum mit deiner Mam….das kenne ich auch zu gut!
Vielleicht solltest du deine Träume wirklich mal nieder schreiben – viele Künstler ziehen auch Inspiration aus ihrer Traumwelt. :)