Südfrankreich – Auf dem Stevensonweg durch die Cevennen
Nachdem ich mich von meiner kleinen Radreise entlang der Ostseeküste erholt hatte, kribbelte es schon nach wenigen Wochen wieder in den Zehenspitzen. Polen-Partnerin Sarah und ich haben uns für den diesjährigen Urlaub den Süden Frankreichs ausgesucht. Wir wollen auf den Spuren von Robert Louis Stevenson durch die Cevennen wandern und hoffentlich dieselbe Ruhe und Wildnis vorfinden, über die der Autor in „Travels with a Donkey in the Cévennes“ berichtet. 1878 machte sich der junge schottische Schriftsteller, der später mit Werken wie „Treasure Island“ (1883) und „Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ zu weltweiter Berühmtheit gelangte, auf eine 120 Kilometer lange Wanderung durch das Zentralmassiv und verzichtet dabei auf jeden Komfort. Eines der berühmtesten Zitate Stevensons lautet: „Ich für meinen Teil reise nicht, um irgendwo hin zu gehen sondern um zu gehen. Ich reise um der Reise Willen. Mein großes Anliegen ist es, mich zu bewegen. Aus diesem Federbett der Zivilisation aufzustehen und den Erdball stark und fest und übersät mit schneidenden Kieseln unter den Füßen.“ Heute ist diese Einstellung zwar aktueller denn je, im 19. Jahrhundert diese Art des Reisens eher unkonventionell. In dem 1879 veröffentlichten Buch erzählt er von seinem Marsch durch das ärmliche und dünn besiedelte Gebirge, begleitet von einer störrischen Eselin namens Modestine.
Anders als Stevenson beginnen Sarah und ich unsere Wanderung in Alès und starten so mit der anspruchsvollsten Etappe des GR70, wie der Stevensonweg im Fernwanderwegnetz Frankreichs bezeichnet wird. Die Bus- und Zugreise von Karlsruhe über Lyon war milde ausgedrückt strapaziös, so dass wir müde mit über 5 Stunden Verspätung in der kleinen Stadt nordwestlich von Avignon ankommen. Es ist schon nach 18 Uhr als wir die Zivilisation hinter uns lassen und die ersten Hügel hinaufstapfen. Belohnt werden wir mit einem Schlafplatz, von dem aus wir eine wundervolle Aussicht und vollkommene Stille genießen können. Im rötlichen Licht der untergehenden Sonne bereiten wir ein klassisches Camper-Essen zu (Spaghetti mit Pesto) und kriechen dann zufrieden ins Zelt. Irgendwo auf einem Bauernhof bellt ab und zu ein Hund, was durch das ganze Tal schallt und ein paar Grillen zirpen uns schließlich in den Schlaf.
Am frühen Morgen geht es auf dem engen Pfad durch den typischen niedrigen Eichenwald, der uns den unbedingt benötigten Schatten spendet. Auf dem Hochplateau des Montcalm wird die Vegetation spärlicher, dafür erfrischt uns der Wind. Von hier hat man eine wunderbare Aussicht über das Massif de Mont Lozere mit seinem höchsten Gipfel, dem Sommet de Finiels (1699m). Nach einem langen Abstieg kommen wir in Mialet an, wo wir uns ein wenig abkühlen und die Mittagshitze aussetzen können. Wie die meisten Flüsse, die wir überqueren, führt auch der Gardon de Mialet extrem wenig Wasser. Einige sind sogar vollständig ausgetrocknet. Auf dem Campingplatz „Le petit baigneur“ finden wir einige Kilometer hinter St. Jean du Gard eine günstige Unterkunft direkt am Fluss und leider auch der Straße. Am nächsten Tag müssen zunächst die ersten Blasen und mein enormer Bremsenstich verarztet werden. Daher machen wir uns erst gegen Mittag auf die verkürzte Etappe nach St. Étienne-Vallée-Française. Die 500 Höhenmeter schleppen wir uns von Schatten zu Schatten auf den Col de St. Pierre und nutzen den weichen Waldboden für ein kurzes Nickerchen. Die Nacht verbringen wir in der wunderschön gelegenen Gîte d’Etape „Le Mas Stevenson“, die von dem großartigen Paar Isabelle und Christian Martin betrieben wird. Diese Art der Unterkunft ist sehr zu empfehlen, wenn man sich das Gewicht von Zelt, Kocher und Geschirr sparen möchte. Außerdem verläuft der Wanderweg ab St. Jean du Gard durch den Nationalpark Cevennen, in dem Zelten verboten ist.
Das Wetter wird nun endlich etwas kühler und auch etwas regnerisch. Die acht Kilometer nach St. Germain-de-Calbert laufen sich so wie von selbst. In dem kleinen Ort füllen unseren Vorrat mit Baguette und den unfassbar leckeren Nektarinen der Region auf und folgen dann der Eseläpfelspur hoch auf den Col de la Pierre Planté, dem höchsten Gipfel auf unserem Teil des GR70. Auf dem extrem steilen Abstieg zu unserer Unterkunft in Malafosse kommen wir an einer römischen Aufgrabungsstätte vorbei. Die Siedler von damals haben sich ein ausgesprochen schönes Fleckchen Erde ausgesucht, auf dem das Leben aber ausgesprochen hart und entbehrungsreich gewesen sein muss. Umso glücklicher sind wir, als wir das kleine traditionelle Steinhäuschen entdecken, in dem wir die Nacht verbringen dürfen. Die Lage dieser Herberge ist fast nicht in Worte zu fassen. An einem steilen Hang gelegen hat man einen uneingeschränkten Blick in das etwas dunstige aber sonnige Tal. Die Sitzecke vor der kleinen Küche ist von wildem Wein überdacht und ein Esel grast nur wenige Meter entfernt auf einer Weide. In anderen Worten: Diese Unterkunft ist jeden anstrengenden Höhenmeter, den man zurücklegen muss um wieder auf den Wanderweg zu gelangen, wert.
Es folgt ein langer Abstieg bis nach Cassagnas, wo ich kurz in der glasklaren Mimente baden gehe. Da wir Hunger haben und der kleine Ort keinerlei Infrastruktur zu bieten hat, marschieren wir schnell weiter nach St. Julien-d’Arpaon. Der Weg führt auf der ehemaligen Zugstrecke entlang der Mimente. Bis auf die alten Tunnel gibt es keinen Schatten auf der Strecke und die Hitze macht uns schwer zu schaffen. Wir belohnen uns schließlich mit einem Sandwich und einer eiskalten Orangina am kleinen Kiosk in St. Julien-d’Arpaon. Obwohl es schon recht spät ist beschließen wir die restlichen neun Kilometer bis nach Florac zu laufen, da wir keinen geeigneten Zeltplatz finden können. Ein netter älterer Herr erlaubt uns und ein paar Kletterern auf seinem Grundstück zu übernachten. Am Fluss bereiten wir uns mit einer gründlichen Katzenwäsche auf den Wiedereintritt in die Zivilisation vor und ziehen dann triumphierend in unseren Zielort Florac.
Zu unserem großen Glück ist heute Markt in dem 2000-Seelen-Dorf und unsere Schlemmerei kennt keine Grenzen. Frisches Baguette, Ziegenkäse, luftgetrocknete Salami, Nektarinen und zuckersüßer Apfelsaft. Ach, wäre Essen doch immer wie in Frankreich… Wir haben noch zwei Tage Zeit bevor es wieder nach Deutschland geht. Das gibt uns die Gelegenheit die spektakuläre Tarnschlucht mit dem Kanu zu erkunden. 500 Meter hohe Steilwände wechseln sich mit hellen Kieselstränden ab und in den tiefen Gumpen lässt es sich ganz ausgezeichnet plantschen. Wer mehr Zeit zur Verfügung hat, sollte den Fluss unbedingt in einer mehrtägigen Tour auskundschaften. Ab Florac führt der GR70 über das steppenartige Hochplateau des Massif de Mont Lozere. Im August ist diese Strecke wegen der unbarmherzigen Hitze und der absoluten Abwesenheit von Schatten nicht zu empfehlen. In einem kühleren Monat werde ich aber gern auf den Stevensonweg zurückkehren und mit dem Schriftsteller postmortem Notizen vergleichen.
Danke für die fantastischen Bilder. Was ihr alles gesehen und erlebt habt….. Wahnsinn.
Ich habe Ihre Infos bzgl. des Stevenson Weges gelesen und da ich gerade von dort zurückgekommen bin, einiges dazu zu sagen:
Ich kenne den Chemin St. Jacques und bin ihn schon 3 mal gegangen. Allerdings nur bis jeweils zur spanischen Grenze. Da dieser mir schon in allen Facetten bekannt ist, wählte ich diesmal – leider – den Stevenson Weg. Ich bin vom St.Jacques, von Österreich und seinen Wanderwegen bis in Höhen von 3.000 m sehr verwöhnt. Man bekommt Informationen über Höhen, den Namen des nächsten Ortes und wie lange es bis dorthin noch ist. So auch auf dem Jakobsweg.
Allerdings nicht so auf dem Stevenson Weg. Falls man Glück hat, sind die Markierungen richtig vorhanden, jedoch keinerlei nähere Angaben.
Man geht tagelang durch Wälder und das ist extrem langweilig. Bin mir schon wie rotkäppchen vorgekommen – hätte ich Wälder zum Spazierengehen gewollt, wäre ich in Österreich geblieben, da bin ich – sobald ich aus dem Haus trete – von Wald umgeben. Ich hätte den Welterbesteig in Niederösterreich gehen können, wenn mir dieser nicht zu fade wäre.
Die Infrastruktur? Ha, alle 30 – 40 km eine Bank bzw. sind die im Wanderführer angegebenen Banken ständig geschlossen.. Um an Geld zu gelangen mußte ich in der prallen Mittagshitze einen Umweg von 4 km machen.
Kaffeehäuser? Man wird dort sehr oft übervorteilt -z.B. ein Grand Créme 4,70 und dieser war diesen Preis nicht wert.
Ich liebe Frankreich und seine Menschen sehr – aber keinerlei Infrastruktur bieten und Preise verlangen, die zum Teil über denen von Paris sind ist ein starkes Stück.
Auch ich ging mit Zelt – Privatzimmer nur dann falls es regnet oder ich schön essen möchte. In den meisten Privatzimmern (HP obligatorisch) kann man dies auch. In diesen muß man bar bezahlen, man nimmt dort weder Kreditkarten noch Bankomat.
Stevensonweg nein danke! Zu langweiliges Rauf und Runter auf Wegen bzw. Asphaltstraßen Kann man nur abraten davon. Keine Aussichten – meistens nur bis zum nächsten Wald und da weiss man schon was einem am nächsten Tag erwartet..vor allem keine Infrastruktur!