Hilfe bei Depressionen: Therapie Erfahrung + Notfallbox
Es gestaltet sich wirklich schwer die Geschichte meiner Depressionen in nur ein paar Worte zu fassen. Der Ausgangspunkt war ein Total-Zusammenbruch. Nein, nicht so einer bei dem jeder um dich es sofort erkennt und zur Hilfe eilt. Eher so eine Art schleichender Prozess. Man hätte auch meinen können, ich sei einfach etwas faul geworden. Andere dachten, ich hätte einfach nur Liebeskummer. Aber Depressionen, die packen dich am Kern deines Seins.
In den letzten 18 Monaten bin ich also fast alle zwei Wochen zu meiner Therapeutin gegangen um zu lernen, zu verstehen, ja eigentlich zu programmieren. Jeder hat so seine Variante der Depressionen und ganz nüchtern betrachtet könnte ich meinen, dass mein Gehirn einfach nicht mehr richtig „getickt“ hat. In meiner Jugend muss sich ein Code-Fehler eingeschlichen haben und jetzt bricht das System zusammen. Zu tiefe Selbstwert-Level, nicht genug Antriebskraft und getroffen vom letzten Kampf. Mein Gehirn als Raumschiff – dabei mag ich SciFi gar nicht so sehr.
Hilfe bei Depressionen
Was folgte waren Sitzungen, in denen alte Wunden erstmal gefunden und dann geheilt werden mussten. Die Selbstzerstörung der letzten Jahre und die in meiner Jugend haben tiefe Wunde hinterlassen. Mit jedem Termin in dem wir Stühle stellvertretend für böse Gedanken angeschrien und aus dem Zimmer geworfen haben, kamen diese immer weniger und irgendwann gar nicht mehr. Die Erlaubnis wütend zu sein, der Mut tiefe Bindungen einzugehen, die Befreiung davon „Everybody’s Darling“ zu sein. Ich habe mich allen Aufgaben gestellt.
Dabei geholfen haben mir verschiedene Faktoren und auch wenn diese sehr individuell sein können, möchte ich meine mit euch teilen und kurz anreißen. Wenn es jemanden gibt, der mit sich kämpft und das hier liest: vielleicht hilft dir meine Geschichte und du findest Mut in dir.
1 Die passende Therapie.
Es gibt einen Grund warum die erste Stunde meist kostengünstig oder kostenfrei ist. Das Gefühl zwischen Patient und Therapeut oder Coach ist eine wichtige Basis. Ihr oder ihm vertrauen wir unsere tiefsten Wunden an und sie begleiten uns dabei diese nochmals zu durchleben. Es gibt so viele verschiedene Arten von Therapie und man sollte sich einfach durchprobieren, um zu schauen, welche am besten passt.
Ich hatte eine Schema-Therapie, eine Freundin ist bei einem Transformationstherapeuten und eine weitere macht ein Coaching. Es gibt die Möglichkeit die Kosten über die Krankenkasse laufen zu lassen oder es privat zu zahlen. Ich habe letzteres gemacht, um mit Versicherungen usw. in Zukunft keine Wartezeiten oder Probleme zu haben.
2 Freunde und Partner, die geduldig jeden Rückschlag abfedern und das mit dir durchstehen.
Absolut unverzichtbar waren meine Freunde und mein Freund für mich, die sich in den letzten Monaten wie eine kleine Familie um mich gekuschelt haben. Denn es gab viele Rückschläge. Ausgelöst zum Beispiel durch beruflichen Stress, der wie Salz auf die offenen Wunden rieselte. Oft dachte ich „hey, ich schaff das ab jetzt schon allein“ und wollte die Therapie beenden. Zu hören, wie meine Freunde im schlimmsten Fall das Geld dafür zusammen schmeißen würden, weil sie sehen wie gut und wichtig es für mich ist, hat mir den Antrieb gegeben weiterzumachen.
Solange sie den Fortschritt und die Mühen sehen, können Partner und Freunde oft auch längere Phasen mit einem durchstehen. Natürlich immer nur solange es einem nicht selbst schadet.
3 Achtsamkeit und Entschleunigung für mentale Gesundheit.
Als der Achtsamkeits-Trend so langsam in mein Leben kam, fand ich die Themen interessant. Jedoch konnte ich mir das in der Praxis nicht so recht vorstellen. „Ich bin doch gar nicht so schnell. Ich bin doch da.“, dachte ich. Erst nachdem ich gestolpert war, bemerkte ich wie schnell ich ging. Ohrensausen, Herzrasen und ein großer aufgeblähter Bauch. Mein Körper zeigte mir auf sehr heftige Weise, dass ihm mein Lifestyle absolut nicht passt und ich in Extremen lebe, statt in Balance. Es hat lange gedauert bis ich so richtig hingehört habe.
Jetzt achte ich etwas besser auf mich, gehe viel Wandern und in den Wald. Außerdem versuche ich mir eine realistische Struktur aufzubauen und schätze meine Kapazität besser ein. Für mich ist das besonders wichtig, um nicht wieder in den negativen Strudel zu geraten und ganz nebenbei hebt es meine Lebensqualität ungemein.
Es gibt viele Achtsamkeitstechniken und ich lerne auch noch „the power to be present“ umzusetzen. Wie spirituell man dabei wird, kann man ganz individuell entscheiden. Mir gefallen Mondrituale und die Arbeit mit Heilsteinen. Sie geben mir einen groben Rahmen vor.
4 Selfcare + Bodykindness
Diesen Punkt habe ich fast etwas stiefmütterlich behandelt. Er erscheint auf den ersten Blick oberflächlich, doch steckt so viel wertvolles dahinter. Denn ohne Selbstliebe wird es auf Dauer schwer Liebe zuzulassen oder selbst zu lieben.
Nachdem ich meinen Job gekündigt hatte und nun fast 80% meiner Arbeit im Home Office erledigen konnte, schlich sich der Comfy Wear und No Make Up Look so in mein Leben. Und das war für eine gewisse Zeit auch vollkommen in Ordnung, denn so konnte ich meine pure und ungeschminkte Seite lieben lernen. Doch irgendwann kippte es ins Extreme und ich nahm mir immer seltener die Zeit mich wirklich um meinen Körper zu kümmern, mich zurecht zu machen und ausreichend zu bewegen. Das hatte viel mit Prioritäten und Stress zu tun, denn ich habe oft die Arbeit oder andere Dinge vorgezogen und mein Körperwohl hinten angestellt.
Mittlerweile genieße ich es wieder ab und zu mit Make Up zu spielen oder mich auch für einen Tag im Home Office gut zu kleiden. Den eigenen Flow dabei zu finden und auf meinen Körper zu hören und diese Impulse zu priorisieren, das hilft mir in der gesunden Mitte zu bleiben.
Akzeptanz und Liebe für den eigenen Körper zu empfinden – das ist eine Übung, die viele von uns im stillen Kämmerchen durchführen. Dabei sollten wir dieses Gefühl wie Konfetti durch die Gegend schmeißen und alle um uns herum damit anstecken.
5 Notfallhilfe bei Depressionen
Es gab schon Momente in denen es mir den Boden unter Füßen erneut weggezogen hat. Zum Glück bemerke ich es jetzt viel schneller und deute meine Gedanken und Antriebslosigkeit richtig. Das hilft mir der Situation nicht zu viel Wert zu schenken und ich kann sofort reagieren.
Dazu habe ich mir eine Notfall-Box gepackt. Nagut, ich habe noch keine Box und es ist eher ein Notfallplan.
Meine Notfallbox gegen Depressionen:
- ein Tagebuch (ich versuche täglich nicht nur meine Stimmung zu notieren, sondern nutze es als Schreibübung und beschreibe den Tag literarisch als Gedicht oder Text)
- ein Übungsheft mit Arbeitstechniken aus der Therapie (verschiedene Übungen um Emotionen zu bewerten und schlechte Gedanken zu entmachten)
- Aufzeichnungen aus der Therapie und aus Gesprächen mit Freunden ( zum Beispiel eine große Grafik über meine inneren Kinder und die Zusammenhänge – diese hilft mir dabei meine Gefühle zu verstehen und einzuordnen)
- ein Sorgenstein oder Mindstone, den ich in kritischen Situationen in der Hand halte oder mit dem Daumen drücke um negative Energien loszuwerden
- schöne Erinnerungen (bei mir ein paar Bilder aus dem Photoautomat von lustigen Abenden mit Freunde)
- das Buddha-Aromaöl um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen
- ein Ausmal-Buch für Erwachsene zur Entspannung und Ablenkung
- ein Heft aus dem Urlaub mit Danksagungen an die Natur, zusammengetragen von drei Häuptlingen indianischer Stämme aus dem Six Nations Indian Museum (es hilft mir mich wieder auf meine Umwelt und das Wesentliche zu konzentrieren)
- eine DIY-Räucherdose von einer lieben Freundin (zum Verbrennen kleiner Zettel zu Mond-Ritualen)
- meine liebste Hundedame Greta, die sich in kritischen Situationen neben mich legt und einfach da ist und atmet, bis ich mich wieder beruhige
Nach der Therapie.
Für mich gab es keinen filmreifen Moment, in dem mir die Lasten der letzten Jahre von den Schultern gefallen sind und ich auf einmal frei durchatmen konnte. Aber die ersten Male, in denen wieder ICH die Entscheidungen getroffen habe und nicht meine Depressionen, die blieben hängen und verbreiteten sich wie ein Schutzmantel um mich.
„Ich hoffe Sie können sich ein paar Tage frei nehmen, Sie können stolz auf sich sein.“ Das waren die abschließenden Worte meiner Therapeutin. Ich werde immer mal wieder Unterstützung brauchen und das „programmieren“ ist ein stetiger Prozess, der Energie und Willenskraft von mir fordert. Aber dafür bekomme ich auch mein Leben und meine Freude und Leichtigkeit zurück.
Hilfe finden Betroffene und Angehörige beim Leipziger Bündnis gegen Depressionen und der deutschen Depressionshilfe.
Vielen Dank für diesen Artikel zur passenden Therapie. Ich habe mich immer gefragt, was tun gegen eine Depression. Dank Ihnen weiß ich nun, dass die erste Stunde meist kostenlos ist und ich mich zu nichts zwingen muss.
Sehr gern! Eine Therapie gibt einem so viel Lebensqualität wieder und ich kann es wirklich nur empfehlen. :)