Winter im West-Allgäu
Seit meine Eltern in ein kleines Dorf im Allgäu gezogen sind, verbringe ich dort jedes Jahr die Weihnachtszeit, manchmal bleibe ich auch über Silvester. Die Lage auf 800m ist zwar kein Garant für weiße Weihnachten, doch ganz ohne Schnee habe ich dort noch keinen einzigen Winter verbracht. In meiner Familie ist das Fest nach Heiligabend vorbei, sieht man mal von den besonderen Leckereien ab, die es auch an den Feiertagen noch gibt. Das bedeutet viel Zeit fürs Skifahren, Schneewanderungen und Schneemann bauen.
In der Region um Oberstaufen bleiben für Schneeliebhaber keine Wünsche offen. Vorausgesetzt man hält sich von Oberstaufen selbst fern. Außer man steht auf Pelz, Klunker und den deprimierenden Anblick bunt bemalter Mittsiebziger, die sich verbissen gegen den Alterungsprozess zur Wehr setzen. Das Books Lesecafé ist allerdings einen Besuch wert. Neben Bücherregalen bis unters Dach gibt es Kaffee in allen Variationen und vegetarische, sowie vegane Leckereien. Ebenfalls einen Besuch wert, ist das Café Lässer in Oberstaufen. Als Mia nach Silvester zum Skilanglauf die Loipen um Oberstaufen erkundet hat, hat sie mir vom Lässer’schen Apfelstrudel vorgeschwärmt.
Das Siebentausend-Seelen-Dorf ist von einem weitläufigen Loipennetz umgeben. Es gibt alles von kleinen ebenen Rundtouren bis zu anspruchsvollen Strecken bis Österreich und Immenstadt. Informationen und Karten erhält man im Haus des Gastes in Oberstaufen. Nur wenige Kilometer von Oberstaufen, in der Nähe von Grünenbach, kann man im Winter eine wunderbare Wanderung durch die Eistobelschlucht machen. Die Klamm ist dreieinhalb Kilometer lang, der Fluss ist nur teilweise gefroren, aber die steilen, teils überhängenden Felswände sind vollkommen mit Eis bedeckt. Das Licht fällt nur spärlich durch den recht schmalen Spalt am Ende der Steilhänge, wird vom Eis reflektiert und kreiert zusamen mit dem Plätschern des Flusses eine unbeschreiblich schöne Atmosphäre.
Eins meiner liebsten Skigebiete ist der Hochgrat bei Steibis. Der Berg ist 1834 Meter hoch und die Abfahrten sind fünf bis sechs Kilometer lang. Es ist also ein relativ kleines Gebiet, dafür ist der Schnee durch die Lage am Nordhang oft besser als anderswo. Im Gegensatz zu den umgebenden Bahnen am Imberg oder Hündle ist die Gondel am Hochgrat seit den Siebzigern nicht erneuert worden. Die Kabinen sind also nicht luxuriös, dafür ist die Fahrt relativ günstig und die Bahn deutlich weniger überlaufen. Ins Tal abfahren kann man auf verschiedenen Pisten, von blau bis schwarz ist alles vorhanden. Insgesamt sind die Pisten schon recht anspruchsvoll und an einigen Stellen recht steil. Wem die knarzende Bahn etwas zu unheimlich ist, kann auch auf dem Wanderweg oder mit Tourenskiern zum Gipfel laufen.
Einmal die Woche ist auf dem sehr gemütlichen Staufner Haus, auf dem man übrigens ganz hervorragend Silvester feiern kann ein Tourenläufer-Treff. Hauptsächlich Einheimische und „Reigschmeckte“ wie mein Vater laufen die mehr als 850 Höhenmeter in unter einer Stunde hoch, genießen ein Feierabendbier und fahren dann mit Stirnlampen zurück ins Tal. Ich dagegen habe für die Tour zu Fuß gute 3 Stunden gebraucht. Bei Tiefschnee ist die Route kräftezehrend. An der Talstation kann man aber auch Schneeschuhe leihen, die das Laufen deutlich erleichtern. Die leckeren Kässpatzen auf dem Staufner Haus und die Abfahrt mit dem Schlitten entschädigen für die Strapazen des Aufstiegs.
Das Hochgrat ist Teil der Nagelfluhkette, einem Gebirgskamm, der von Immenstadt im Allgäu bis in den Bregenzer Wald reicht. Vom Hochgrat ausgehend gelangt man über den Seelekopf und den Falken zum Hochhäderich. Die Gratwanderung ist sowohl im Sommer als auch im Winter sehr schön. Der Weg ist für Schneeschuhe fast schon etwas zu schmal. Wenn nicht gerade Neuschnee liegt, sind sie aber auch nicht zwingend nötig. Das Gebiet um den Hochhäderich liegt bereits im Bregenzer Wald. Die sogenannte Alpenarena beinhaltet das Skigebiet Hochhäderich (1565m), ein grenzüberschreitendes Loipennetz und mehr als 30 Kilometer präparierte Wanderwege. Der Rundwanderweg führt unter anderem an der Hörmoosalpe und der Alpe Hochwies vorbei. Auf beiden kann man eine wunderschöne Aussicht und traditionelle Allgäuer Spezialitäten genießen. Die Steigungen des Weges sind sehr moderat. Es gibt für die romantisch veranlagten unter uns sogar einen Pferdeschlitten, der durch das Tal fährt.
Als kleiner Tipp zum Ende möchte ich noch das Artemisia empfehlen. Dabei handelt es sich um eine Teestube mit eigenem Kräutergarten und Kursangeboten wie Yoga, Gärtnern und mehr. Das Haus liegt in Hopfen, einer Siedlung ca. 8 Kilometer von Oberstaufen entfernt und ist von einem Wald umgeben. Meine Eltern leben auf der anderen Seite des Tals, so dass wir öfter quer über die Wiesen, Felder und Wälder durch den Schnee stapfen. Dabei kommt man an den von Eigentümer Tilmann installierten Meditationshäuschen und Bhuddastatuen vorbei und kann sich schließlich in der Teestube bei einem der vielen Kräutertee-Kreationen oder einer selbstgemachten Suppe aufwärmen. Die Zutaten kommen natürlich von den umgebenden Bauernhöfen und sind von feinster Bioqualität. Alles ist sehr liebevoll gemacht und verleitet dazu, die Zeit zu vergessen und schließlich in der Dunkelheit nach Hause zu spazieren.
Natürlich ist das bei weitem nicht alles, was man im Allgäu im Winter erleben kann. Ein Spaziergang um den gefrorenen Alpsee, eine Wanderung von Oberreute nach Sulzberg in Österreich, wo es unglaublich guten Käse zu kaufen und grandiose Ausblicke zu genießen gibt, Naturlehrpfade und und und…! Der Winter dauert an, vielleicht könnt ihr euch noch selbst überzeugen.
Habe den Artikel gerade erst gefunden. Muss irgendwie an mir vorbei gegangen sein =)
Da bekomme ich ja gerade Lust auf Ostern doch noch die Ski oder den Schlitten einzupacken!
Vielen Dank für den Artikel Karo, kennst du vielleicht auch eine schöne Rodelstrecke im Allgäu?