Selbstständig mit Baby?! Meine Erfahrungen adjektiviert.
Ich nehm es gleich vorweg: ja es ist anstrengend. Ja es macht dich verrückt. Aber auch – ja, es erfüllt dich und macht dich glücklich!
Seit 2014 bin ich freiberufliche Fotografin. Nach Studium und Volontariat bin ich direkt ins freie Arbeitsleben gestolpert. Die Selbstständigkeit war nie geplant, doch es hat sich so ergeben, dass ich von Anfang an meinen eigenen Weg mit der Fotografie gegangen bin. Nun ist letztes Jahr ein kleiner Mensch in mein Leben gekommen, der so vieles verändert hat. Wie sich das Leben mit Baby auf meine Arbeit als Selbstständige ausgewirkt hat, schreibe ich in diesem Artikel nieder. Ich teile mit euch meine persönlichen Eindrücke und Erkenntnisse, die ich in den bisherigen 1,5 Jahren Selbstständigkeit mit Kind gesammelt habe.
Nicht zweifelsfrei.
Auch als ich 2017 schwanger war und meine Tochter erwartete, wollte ich weiterhin selbstständig bleiben. Ja, auch wenn man es als Angestellte in vielerlei Punkten leichter hat, wenn man ein Kind bekommt. Die Liste der Vorteile ist da wirklich lang. Natürlich hatte ich Zweifel. Es war ein bisschen so, wie wenn man sich gerade selbstständig macht. Da wägt man auch immer wieder ab, durchdenkt, rechnet, vergleicht.
Man beginnt sich zu fragen, ob man sich nicht lieber dem Kind und der Familie zu liebe auf eine feste Stelle einlassen sollte, die abgesichert ist. Seit ich ein Kind habe, übernehme ich Verantwortung nicht mehr nur für mich selbst. Ich muss und will Edi etwas bieten können. Ich möchte, wie jede Mutter es für ihr Kind möchte, dass es ihr an nichts fehlt. Sicherheit bekommt auf einmal einen höheren Stellenwert.
Da gehen einem Fragen durch den Kopf, wie: Bin ich egoistisch, wenn ich trotzdem meiner Berufung als Fotografin nachgehe? Gehe ich damit ein Risiko für uns ein? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? Würde es uns anderweitig vielleicht besser gehen? Das ist nicht immer leicht abzuwägen.
Vier Jahre habe ich zu diesem Zeitpunkt bereits in mein Business investiert, habe schwierige Zeiten überstanden und niemals aufgegeben. Letztendlich entschied ich mich dazu, genau das weiter zu führen. Die Selbstständigkeit ist für mich eine Lebensentscheidung. Genauso wie für mich immer klar war, dass ich ein Kind möchte. Ich liebe mein Kind, ich liebe auch meine Arbeit. Beides erfüllt mich und gibt meinem Leben einen wirklichen Sinn. Ich habe das Glück und bin unendlich froh darüber, nicht nur irgendeinen Job machen zu müssen. Das ist so unglaublich viel wert. Daher gebe ich alles, dass beides parallel funktioniert!
Anders (als bei anderen).
Das es nicht leicht ist, war mir von Anfang an bewusst. Gearbeitet habe ich bis kurz vor der Geburt. Hochschwanger hatte ich nach Weihnachten mein letztes Shooting, im Januar kam dann Edi auf die Welt. Das erste Jahr mit ihr werde ich nie vergessen. So viel Neues, so viel Entwicklung und auch so viel Arbeit. Ab dem 3. Monat habe ich wieder angefangen zu arbeiten. Lange Zeit kann man als Selbstständiger ja nicht von der Bildfläche verschwinden. Ich habe keinen Job abgelehnt. Im Gegenteil. Durch Edi entstand sogar die Idee zu zweinander sowie der Überschmiede und ich habe in der Schwangerschaft und ersten Zeit mit Baby diese beiden Standbeine aufgebaut. Eine Elternzeit wie man sie kennt, hatte ich also nicht. Doch das empfand ich nicht als schlimm. Edi war so viel mit mir unterwegs. Trotzdem habe ich mir natürlich explizit für sie Zeit genommen, für gemeinsamen Aktivitäten, wie z.B. das Babyschwimmen.
Strukturiert.
Im ersten Jahr musste ich mich an neue Arbeitszeiten gewöhnen. Und zwar habe ich immer dann gearbeitet, wenn die Kleine geschlafen hat. Bildbearbeitung abends bis in die Nacht hinein. Tagsüber zwischendurch Mails beantworten, Steuerkram während des Mittagsschlafs und immer wieder Shootings, die ich geschickt aufs Wochenende oder in die freien Schichten von Chris gelegt habe. Zu einigen Shootings mussten Beide auch mit oder sich in der Nähe aufhalten, damit ich Edi in den Pausen stillen konnte. Hin und wieder haben wir auch Unterstützung von den Großeltern bekommen. Ohne diese Hilfe hätte es nicht funktioniert und ich bin sehr froh über diesen starken familiären Background.
Mittlerweile geht Edi in die Kita und ich kann in dieser Zeit arbeiten. Chris bringt sie hin, ich hole sie für gewöhnlich am Nachmittag ab. Dann geht’s auf den Spielplatz, nach Hause und nach Abendessen, Baden und Sandmann ins Bett. Wenn ich nicht selbst gleich mit einschlafe (das kommt wirklich ab und zu vor), nehme ich mir hin und wieder noch abends Zeit zu arbeiten. Dieser neue Rhythmus hat sich gut eingepegelt für uns.
Flexibel.
Die Kita schließt aus irgend einem Grund eher? Oder noch schlimmer – die Kleine ist plötzlich krank? In solchen Situationen fällt die neue Struktur des Alltags wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Man muss flexibel reagieren können, schnell umplanen, Termine spontan verschieben. Oftmals helfen Transparenz und ehrliche Kommunikation mit Kollegen oder Kunden. Wenn die Dringlichkeit ganz hoch ist, heißt es allerdings doch ab und an „Augen zu und durch“. Das ist manchmal hart aber notwendig, wenn man das Business nicht vernachlässigen möchte.
Krankheit ist eigentlich das schlimmste Knockout, dass es geben kann. Wir hatten eine solche schwierige Phase diesen Winter, kurz nachdem Edi eingewöhnt wurde. Sie hat natürlich alle Keime mit nach Hause gebracht. Erst wurde sie krank und schließlich lagen wir alle drei flach. Das passierte auch noch während einer heißen Phase in der mehrere meiner Aufträge beendet werden sollten. Doch auch das haben wir überstanden!
Achtsam.
Arbeiten wie es einem in den Kram passt? Selbst und ständig? Nicht mehr mit Kind! Zumindest, wenn man wirklich am Leben seines Kindes teilhaben will. Ich habe gelernt, dass es mir viel mehr bringt geschäftliche und private Zeit hart zu trennen. Sobald ich Edi aus der Kita abhole, gehört der Tag uns. Und die Arbeit geht eben erst weiter, wenn sie wieder in Betreuung ist. Parallel zu arbeiten, nebenher Mails am Handy beantworten, mal schnell noch etwas bearbeiten, wenn wir zu Hause sind? Das mache ich nicht mehr. Erstens ist mir die Zeit mit Edi viel zu kostbar und zweitens würde die Qualität meiner Arbeit leiden, da ich nicht mit 100%iger Aufmerksamkeit bei der Sache wäre.
Den Hammer fallen lassen zu können, war am Anfang nicht leicht für mich. Sobald man mal nicht sofort reagiert, steigt das Risiko einen Kunden zu verärgern. Doch mir ist bewusst geworden, dass eine ausgeglichene Work-Life Balance viel schwerer wiegt. Ich achte viel mehr darauf, dass ich das Business zu gegebenem Zeitpunkt ausschalte. Es darf nicht selbstverständlich sein am Wochenende, abends oder gar nachts zu arbeiten – mit oder ohne Kind. Früher war mir das einfach nicht so klar – jetzt kann ich das jedoch mit gutem Grund einfordern.
Fokussiert und effektiv.
Mit der geregelten und oftmals auch kürzeren Arbeitszeit, die mir zur Verfügung steht, muss ich nun besonders sorgsam umgehen. Ich arbeite viel fokussierter und muss meinen Arbeitsalltag sehr effektiv gestalten. Prioritätenlisten sind da ein große Hilfe. Gewichtung und auch das Abgeben an Teammitglieder sind unabdingbar.
Leicht und schwer.
Seit Edi da ist, sehe ich den Weg meiner Selbstständigkeit und somit auch der Selbstverwirklichung vor meinem inneren Auge. Ich brauche ihn nur noch zu beschreiten. Das macht es mir auf einmal so einfach Entscheidungen zu treffen. Ich weiß was ich möchte und was nicht. Ich kann mir klare Ziele stecken, mich selbst einschätzen und motivieren. Das tut mir und meiner Arbeit sehr gut. Schwierig ist es hin und wieder den neuen Rhythmus beizubehalten und ihn als gegeben hinzunehmen. Durch unsere Ausflüge und Reisen brechen wir immer wieder aus, doch wir sind uns bewusst, dass wir immer wieder zu Basis und Regelmäßigkeit zurückkehren müssen.
Intensiv!
Ich habe das Gefühl mein Leben mit Baby und Selbstständigkeit ist sehr intensiv geworden. Es belebt mich, es ist sehr aktiv. Sicherlich oftmals auch chaotisch und spontan. Durch Edi bin ich fokussiert auf das was ich wirklich machen und erreichen möchte. Entscheidungen fallen mir leichter und sie gibt mir immer wieder Kraft. Als Teil von mir motiviert sie mich mehr als ich es für mich allein jemals könnte. Aus diesen Gründen bereue ich meine Entscheidung selbstständig zu bleiben nicht.
„Je ne regrette rien.“ (Edith Piaf) Daran erinnert selbst Ediths Name jeden Tag!
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