Hallo 2019 – Was machst du denn schon hier?
Mein Atem bildet kleine Wölkchen. Die Sonne färbt den Himmel erst orange und dann pink. Neben mir fangen zwei Menschen diesen Moment mit Hilfe ihrer Telefone ein. 2019 fängt schön an, denke ich bei mir.
Vorsätze habe ich dieses Jahr keine. Ich habe mir stattdessen die Herangehensweise der amerikanischen Illustratorin Julia Rothman abgeguckt und eine More/Less Liste erstellt.
2018 war ich weiß Gott selten in der Position anderen Menschen einen Ratschlag zu erteilen. Jedes kleine Klümpchen Weisheit fühlte sich an, als müsste ich es mit einer Kuchengabel aus einem gefrorenen Acker herauskratzen. Aber es waren ein paar kleine Nuggets dabei und die möchte ich euch dann doch nicht vorenthalten.
Die beste Investition
Meine sinnvollste Investition 2018 benutze ich nur ein paar Tage im Monat. Dann wandert sie wieder in den Schrank und wartet auf den nächsten Einsatz. Jahrelang habe ich Menstruationstassen so skeptisch beäugt wie ein exotisches Tier. klar können sich andere Menschen einen Panther im Wohnzimmer halten – für mich ist das jedoch nichts.
Die Vorstellung, meinem Menstruationsblut derart nahe zu kommen, war mir zuwider. Was mir dann aber noch mehr missfiel, war die Tatsache, dass eine Frau schätzungsweise zwischen 10.000 und 17.000 Hygieneprodukte in ihrem Leben verbraucht. Allein in Hamburg leben derzeit 924.149 Frauen. Ich war nie ein Mathe-Ass, aber diese Zahlen summieren sich schnell zu einem unfassbaren Müllberg.
Was schweren Herzens begann, entpuppte sich als klügster Kauf des Jahres! Die Menstruationstasse ist viel pflegeleichter als ich glaubte. Zudem haben sich meine Regelschmerzen verringert und ich muss nicht jedes Mal panisch zusammenzucken, wenn ich lese, wie viele schädliche Chemikalien in herkömmlichen Binden und in Tampons enthalten sind.
Die beste Vorabendbeschäftigung
Dienstagabend, 20.45 Uhr. Eine blonde, junge Frau lobt mich enthusiastisch dafür, dass ich es gerade geschafft habe, zu fragen wo die Tankstelle ist. Ich selbst bin ebenfalls recht zufrieden.
Ich lerne seit ein paar Monaten Polnisch. Meine Zunge kämpft sich mühevoll durch ein Konsonanten-Gestrüpp, aber mein Gehirn freut sich immens. Jeden Dienstagabend, wenn ich durch die Dunkelheit nach Hause radle und versuche bis zehn zu zählen – der minimale Unterschied zwischen 9 und 10 ist ein echter Halsbrecher – bin ich glücklich. Ganz gleich wie der Tag zu vor war, oder ob ich mir auf dem Rückweg die Nase abfriere – ich komme mir frisch und ausgeglichen vor.
Das Angebot der VHS ist übrigens breit gefächert und bezahlbar. Wer also schon lange damit liebäugelt seine Sprachkenntnisse aufzufrischen, sollte nicht lange zögern. Es muss ja nicht gleich Polnisch sein.
Die beste Tradition
Ich bin eine sehr mäßige Fotografin. Goldener Schnitt, Hintergrund macht Bild gesund, königliche Kontraste – Pustekuchen. Instagram Stories nötigt mir in regelmäßigen Abständen mein gesamtes Können ab – von künstlerischen Ambitionen keine Spur.
Aber es gibt eine alte Dame, die wie ein kleiner Diktator über ihre Küche herrscht, jeden Morgen Graubrot mit Marmelade isst, die ich nur sehr selten sehe und die Fotos liebt. Am Ende des Jahres stelle ich Bilder für meine Oma in einem Fotoalbum zusammen. Dabei fällt mir immer wieder auf, was ich in dem Jahr alles erlebt habe.
Angeblich müssen schöne Momente nicht festgehalten werden, da sie uns für immer in Erinnerung bleiben. Aber meine Erinnerung ist auch damit beschäftigt, einen Termin mit dem Fensterbauer zu vereinbaren, nachzuhaken ob die Kaffeemaschine ausgeschalten ist und ob noch WC-Reiniger gekauft werden muss. Da ist die Gefahr vorhanden, dass ein schöner Moment schon mal auf der Strecke bleibt. Für 2019 habe ich mir vorgenommen mehr Fotos zu machen. Vielleicht muss ich mir dafür den ein oder anderen Kommentar zum Thema Generation Smartphone anhören, aber am Ende rutscht mir kein goldener Moment durch die Finger.
Die Numerologen sagen 2019 ist ein Jahr 3. „Trzy“, wie man auf polnisch sagen würde. Die stehen für Dynamik und Energie. Ich finde, das klingt gut – denn ich habe schon große Pläne. Ihr auch?
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