Goodbye My Friend

Re-arrange your life – die unliebsame Freundschaft
Kürzlich habe ich auf einer Party eine Bekannte getroffen. Obwohl wir sonst keinerlei Kontakt haben, sind solche Abend mit ihr in lockerer Atmosphäre immer sehr kurzweilig. Doch diesmal musste sie überraschend früh gehen und schien darüber selbst nicht sonderlich glücklich. Was sie denn am nächsten Tag vorhabe, wollte ich wissen. „Ach, ich muss mich mit einer Freundin treffen.“ erklärte sie mit der Emotion einer Schlaftablette. Ich witzelte etwas über ihre Aussage und stellte schließlich ein paar Nachfragen.
Sie erklärte mir, dass es sich bei ihrer „Freundin“ um eine ehemalige Arbeitskollegin handelt. Früher hatte man im Büro gemeinsam viel Spaß. Und auch außerhalb der Arbeitszeit hat man damals bereits häufiger etwas am Abend oder am Wochenende zusammen unternommen. „Und als ich diese schwierige Trennungsphase hatte und mir im Büro manchmal kaum die Tränen halten konnte, hat sie immer alles gepuffert. Sie hat meine Aufgaben teilweise mit übernommen und ist sogar bei einem Kundengespräch für mich eingesprungen.“ Meine Bekannte arbeitet nun schon fast ein Jahr nicht mehr in diesem Büro, doch hat die Treffen mir ihrer Kollegin beibehalten. „Am Anfang war das auch noch sehr schön, aber irgendwie nervt sie mich inzwischen nur noch. Ich finde immer wieder andere Ausreden, um einen Termin noch einmal ein paar Tage hinauszuzögern. Schließlich sage ich dann doch irgendwann wieder zu – immerhin hat sich mich damals sehr unterstützt.“
Profit und Freundschaft
Profit und Freundschaft. Passt das überhaupt zusammen? Ich meine ja. Ohne Profit – wohl gemerkt für beide Seiten – kann eine Freundschaft meiner Meinung nach auf Dauer nicht funktionieren. Und nein, mit Profit meine ich jetzt keine finanziellen oder materiellen Zuwendungen. Der Nutzen einer Freundschaft besteht zumeist aus den Dingen, die man mit Geld nicht kaufen kann. Mal ganz allgemein und relativ plump ausgedrückt: Meine Freunde machen mich glücklich! In diesem Rahmen profitiere ich auf vielfältigste Art und Weise. Sie begeistern mich durch ihre Kreativität, ihre Erfahrung, ihre Willensstärke, ihren Mut, ihre Verlässlichkeit und ihre Herzenswärme. Ich bin beeindruckt von ihren klugen, philosophischen, kontroversen, rationalen und irrationale Gedankengängen. Sie sind meine Seelsorger, meine Coaches und meine Partners in Crime. Ich kann mit ihnen die ganze Nacht lachen, trinken und feiern. Sie fordern mich heraus, spornen mich an und sind meine wichtigsten Kritiker.
Natürlich trifft das nicht alles allumfänglich auf jeden Einzelnen zu. Mit dem einen Freund kann man endlos über Sex und Beziehungen diskutieren, während man gechillt durchs Viertel läuft und sich dabei über idiotische Insider kaputt lacht. Mit dem anderen tauscht man sich über Jobfragen aus, bevor man hemmunglos die Nacht durchfeiert und an der Bar mehr oder weniger sinnige Gespräche führt. Kein einzelner Freund vermag es wohl all unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Das ist auch gar nicht notwendig. Wichtig ist einfach, dass man in irgendeiner Form voneinander profitiert. Der Nutzen muss auch nicht immer ausgeglichen sein. In schwierigen Phasen ist man selbst mehr auf einen guten Freund angewiesen, als andersherum. Eine stabile Freundschaft übersteht so etwas problemlos über einen längeren Zeitraum. Der Nutzen muss auch nicht 1:1 sein. Ein Freund profitiert vielleicht von mir, weil ich eine gute Zuhörerin bin und ich von ihm, weil er Gedankengänge hat, die mich inspirieren.
Portionierte Freundschaften
Kennt ihr den Film Fight Club? Ich liebe die Stelle bei der Edward Norton über das Leben eines stetig Reisenden spricht: „Wohin ich auch reise: Überall klitzekleines Leben. Portionierter Zucker, portionierte Kaffee-Sahne, eine Kleinstportion Butter, […] einzelne Proben Mundwasser, winzige Seifenstücke. Die Leute, die ich auf jedem Flug kennenlerne, sind portionierte Freunde. Zwischen Start und Landung verbringen wir unsere gemeinsame Zeit. Und das war’s.“ Das Zitat mutet recht negativ an. Dennoch finde ich es sehr gut, denn nicht all unsere Freunde begleiten uns über mehrere Jahrzehnte oder gar ein ganzes Leben. Viele Freundschaften ergeben sich aus gemeinsamen Lebensumständen. Der gleiche Wohnort, die gleiche Schule, der gleiche Ausbildungsplatz, die gleiche Vorlesung, das gleiche Seminar oder der gleiche Arbeitsplatz. Wir treffen uns zufällig, weil wir das gleiche machen, an der gleichen Stelle stehen respektive den gleichen Flug gebucht haben. Das gemeinsame Thema verbindet.
Ich hatte viele Freunde in der Schule, zur Ausbildung und im Studium. Während dieser Zeit profitiert man voneinander, unterstützt sich bei diversen Aufgaben oder regt sich über die Marotten des gleichen Dozenten auf. Nach jedem dieser Lebensabschnitte sind bei mir ein bis zwei dieser Freunde übrig geblieben, die mich bis heute begleiten. Meist zeigt sich erst nach Änderung der Lebensumstände mit welchen Menschen einen mehr verbindet, als der Sitzplatz im Flieger nebeneinander. Vom Rest trennte sich mein Weg einfach. Das ist völlig in Ordnung so. Man fällt sich zum Abschied in die Arme, sagt, dass man sich meldet und wenn man sich dann fünf Jahre später zufällig über den Weg läuft, spricht man über alte Zeiten. Alles in Butter.
Sometimes you have to re-arrange
Schwierig wird das Ganze, wenn einer die Freundschaft aufrecht erhalten will, während der andere keinen Profit mehr sieht. Das klingt hart, ist manchmal aber einfach so. Das einleitende Beispiel ist dabei noch vergleichsweise harmlos. In schwereren Fällen können sich vermeintliche Freundschaften sogar negativ auf die (geistige) Gesundheit auswirken. Was dann tun? Die Gesellschaft des anderen ertragen, obwohl man sich gelangweilt, seiner Zeit beraubt, unwohl oder sogar belastet fühlt? Das mag eine Zeit lang funktionieren. Vielleicht ändern sich die Umstände auch wieder, wenn man der Sache etwas Zeit gibt. Doch eine Dauerlösung sollte es nicht sein. Andererseits möchte man sein Gegenüber auch nicht vor den Kopf stoßen. Man ist ja schließlich ein netter Mensch. Doch auch nette Menschen sollten hin und wieder an sich selbst denken und sich fragen, was für sie selbst das Beste ist.
Es kommt natürlich immer etwas auf die Umstände an. Manchmal ist es am sinnvollsten, wenn man den Kontakt langsam abflachen lässt uns sich irgendwann einfach nicht mehr meldet. In anderen Fällen – das sind meistens die etwas komplizierteren – sollte man direkt kommunizieren, dass man die Freundschaft nicht mehr möchte und welche Gründe es dafür gibt. Das fühlt sich nicht besonders gut an und kostet Überwindung. Auf lange Sicht fühlt man sich damit allerdings besser. Deshalb ist es bisweilen einfach notwendig einen Schlussstrich zu ziehen, denn letztlich ist eine Freundschaft eine Sache zwischen zwei Personen. Beide müssen sich auf Dauer wohlfühlen und voneinander profitieren.
Ich bin im Moment genau in so einer Situation.
Das „Schlimmste, das Gespräch, habe ich bereits hinter mir und die Last ist mir von den Schultern gefallen.
Die Freundschaft war nicht mehr gesund und ich habe sie nur noch ausgehalten, mich völlig vergessen.
Jetzt muss geschaut werden, ob die Freundschaft auf einer anderen Ebene fortgesetzt werden kann oder ob unsere Wege sich doch trennen werden.
Danke für Deinen Beitrag zur richtigen Zeit ?
Liebe Grüße, Tanja ?
Liebe Tanja,
ja das Gespräch ist das Schlimmste. Schon allein, dass dir danach die Last von den Schultern gefallen ist, zeigt wie richtig es war diesen Schritt zu gehen. Und das Wichtigste ist wie immer der Lerneffekt. Vermutlich wird es dir nie wieder passieren, dass sich eine Freundschaft überhaupt erst in eine solche Richtung entwickeln, bei der du dich selbst vergisst. Zumindest gelingt es mir seit einer solchen Erfahrung besser gewisse Dinge früher abzuwenden oder eben direkt die Notbremse zu ziehen.
Wie auch immer es sich nun weiter entwickeln wird – ich wünsche dir nur das Beste! :)
Liebste Grüße!
Super Beitrag!
Und du hast so Recht.
Ich kenne beides. Zum einen, eine Freundschaft, die mich nur noch aufgezerrt hat und ich ein permanent schlechtes Gewissen hatte (die Freundin war krank, starke Depression) und zum anderen die Leute, die einem über die Jahre einfach nicht mehr so wichtig sind und man nur noch aus Pflichtgefühl zu Verabredungen geht..
Ich habe lange gebraucht, das zu verstehen, erst im Dezember gab man mir mit auf den Weg: Es ist nicht möglich, ALLE sozialen Kontakte zu pflegen, man sollte sich von den nicht-so-wichtigen trenne, uns schwupps: geht’s einem besser..
Und seitdem gehe ich dieses Thema entspannter an.
Vielen vielen Dank für diesen Artikel! Ich stecke gerade auch in so einer Freundschaft, in der ich nichts außer das Gejammer und die Sorgen der anderen Person abbekomme. Das wäre ja auch kein Problem für mich, wenn sie sich auch mal meine Probleme anhören würde. Du hast absolut Recht, es kann auch negative Auswirkungen auf einen haben, solche Freundschaften aufrecht zu erhalten. Aber gleichzeitig möchte man auch nicht die Böse sein, die diese Bindung löst. Ich habe tatsächlich mit einer anderen Freundin schon lange darüber gesrpochen und gerade das zeigt mir immer wieder, dass Freundschaft auch anders funktionieren kann, dass man eben davon profitieren kann.
Deine Gedanken waren dabei wunderbare Anstöße und Bekräftigungen für meine Überlegungen! Danke