3 Dinge, die ich in diesem Jahr bereits gelernt habe
Das neue Jahr war noch keine zwei Monate alt, da hatte ich schon genug davon. Ich dämmerte im Bett vor mich hin, wartete auf bessere Zeiten und verfluchte mein Gebilde, das mir beim Bleigießen ein ereignisreiches 2019 prophezeit hatte. Während ich mich vor Schmerzen wand, hatte ich immer wieder die Stimme meiner Großmutter im Kopf: „Alt werden ist grauenvoll. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist jeden Tag schmerzen zu haben. Davon hast du keine Ahnung“. Bevor ich in meinen nächsten Fiebertraum entschwand, spürte ich dann doch ein wenig Genugtuung. Immerhin hatte ich mit 28 Jahren meinen Erfahrungsschatz so erweitert, dass ich mir diesen Spruch nicht mehr widerspruchslos anhören musste.
Ich hoffe für jeden Menschen, dass er durch sein Leben gehen wird, ohne jemals an einer Nierenbeckenentzündung zu leiden. Allerdings habe ich durch meine einzige bisherige gesundheitliche Grenzerfahrung auch einiges gelernt. Hier kommen also drei Krümel Lebenserfahrung – geschüttelt nicht gerührt und schmerzfrei serviert.
#1
Gesundheit ist alles
Wer kennt den Satz nicht: Dein Körper ist dein Tempel. Oftmals neigen wir in jugendlicher Leichtfertigkeit jedoch dazu, ihn eher wie eine Ein-Zimmer-Wohnung im sozialen Brennpunkt zu behandeln. Ein gesundes Leben erscheint auf den ersten Blick nicht besonders aufregend. Wir verschicken lieber eine Postkarte von unserem Wochenend-Trip nach Barcelona – nicht von dem Naherholungsaufenthalt am Timmendorfer Strand. Vom erholsamen Schlaf erzählt es sich nicht so spektakulär wie von der durchzechten Nacht. Ein Abend auf der Couch ist nach einem anstrengenden Tag so viel verlockender, als der Kurs „Rücken-Fit“ um 19.30 Uhr.
Doch wenn der Körper uns den Dienst versagt, dann schrumpfen alle anderen Umstände zu einer Belanglosigkeit. Die spektakulären Kurztrips, der riesige Freundeskreis, die 80-Stunden-High-Intensity-Woche in dem coolen Beruf, ein prallgefühltes Bankkonto, ein noch praller gefüllter Kleiderschrank: Das alles kannst du vergessen!
Das heißt natürlich nicht, dass wir in ewiger Einschränkung verweilen sollten. Wenn die Abenteuer rufen, dann ist es ein Privileg ihnen nachzujagen. Doch als solches sollte dies auch behandelt werden. Mit jedem Privileg kommt Verantwortung. Und die Verantwortung unserem Körper gegenüber steht an erster Stelle. Oder wie es Ice Cube schon wusste: Check yo self before you wreck yo self.
#2
Iron like a Lion
Auf der Schmerzskala sind Nierenkoliken angeblich direkt hinter Wehen angesiedelt. Wenn wir dem Glauben schenken, habe ich in drei Tagen drei Kinder bekommen. Mein tatsächlicher Kinderwunsch hat sich seit diesem Ereignis drastisch relativiert und mein Respekt für Mehrfach-Mütter ist deutlich gestiegen. Auf kuriose Umwege ist jedoch auch mein eigenes Selbstbewusstsein gestiegen. Nach jedem überstandenen Schmerzschub war ich verwundert, was mein Körper aushalten kann.
Es gibt Situationen, in denen man das unbestimmte Gefühl hat, sich gerade etwas gefallen zu lassen. Eine Unwahrheit, eine Unachtsamkeit, ein Mangel an Respekt oder Toleranz. Wenn ich mir jetzt etwas gefallen lasse, dann ist es eine Entscheidung für meinen Seelenfrieden oder aus Empathie. Nicht jedoch aus Angst. Denn ich habe das Gefühl, stark zu sein wie ein Löwe.
#3
Unbändige Freude
Ich bin nicht so gut darin, eine Haltung der Dankbarkeit an den Tag zu legen. Die berühmte „Attitude of Gratitude“, die angeblich der Schlüssel zu einem glückseligen Leben ist, entspricht nicht wirklich meiner Natur. Ich rege mich halt ganz gerne mal auf.
Drei Wochen im Februar war ich allerdings die Dankbarkeit in Person. Eine Dusche, bei der ich nicht Angst hatte, ohnmächtig zu werden. Der erste Heidelbeerjoghurt. Der erste Ausflug in den Supermarkt. Ich habe mich über alles gefreut wie über das letzte Wasser in der Wüste. Hinzu kam eine bisher ungekannte Ruhe über mich: Nichts erschien mir vergleichsweise so schlimm, als dass ich mich darüber aufzuregen wagte.
Wenn wir uns Erinnerungen nicht immer wieder ins Gedächtnis rufen, verblassen sie irgendwann wie eine Kinderzeichnung an der Kühlschranktür. Das dient dazu, dass wir unser Gehirn nicht überfrachten. Es hat jedoch auch zur Folge, dass mich eine dankbare Grundeinstellung mittlerweile wieder Mühe kostet. Manchmal, wenn ich mich gerade wieder über meine Nachbarn oder die grantelnde Frau im Supermarkt aufregen möchte, dann scrolle ich mich durch meine Bilder auf dem Handy. Dort ist ein Foto von einem Fieberthermometer, das 37,8° C anzeigt. Mein erster fieberfreier Tag nach der Krankheit. Wenn ich das sehe relativiert sich der Ärger schnell und ich bin ganz friedlich.
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