Gestatten, ich war der Freak.
Ich bewunderte zu Schulzeiten stets die schlanken Mädchen mit den süßen Gesichtern, den Stupsnasen und engen Tanktops. Kleine Sirenen auf dem Schulflur, die mit ihren adidas Superstars und pinken Schnürsenkeln als Statement der späten 90er stolz und wie kleine Feen durch die Gänge schwebten. Zierlich und flachbrüstig bildeten sie eine verschworene Gemeinschaft, begrüßten sich vor jeder Stunde mit Bisous. Ein bisschen Schaulaufen, ein helles Lachen und die Haare gekonnt in den Nacken geworfen. Einerseits verdrehte ich die Augen und fand es unendlich lächerlich. Andererseits habe ich mich danach gesehnt, von ihnen akzeptiert zu werden. Neben ihnen fühlte ich mich wie ein Elefant, ein fetter und unansehnlicher Mensch, der für sein wenig ansprechendes Äußeres mit Nichtbeachtung gestraft wurde. Ich war schon früh sehr groß, hatte weibliche Rundungen und tat alles, diese zu verstecken. Ich trug weite Hosen, eine Herrenjacke in Large und T-Shirts der Marke FILA, die nicht einmal dem breitesten Kerl gepasst hätten. Ich war die mit den „Bockwurst“-Fingern. Ich war die, die immer zuletzt in die Sportmannschaft gewählt wurde. Ich war die Stille, die Dicke und die Unbeliebte. Ich war der Freak, der fast ein ganzes Schuljahr keinen Sitznachbarn hatte.
Denkt man an High School Movies made in Hollywood, die in den späten 90ern die Kinos überschwemmten, wäre ich die Idealbesetzung des Losers gewesen. Jedoch nicht das hässliche Entlein, das durch ein Make Over plötzlich doch cool wird, sondern der Weirdo, der für wenige Minuten in einer Cafeteria-Szene gezeigt wird. Man wollte mich nicht dabei haben und machte keinen Hehl daraus. Das Wort Mobbing war damals noch nicht en vogue, doch eigentlich ist mir über Jahre genau das widerfahren. Mir wurde jedes Mal schlecht, wenn jemand in einem bestimmten Internetforum wieder Mist über mich veröffentlicht hatte oder mir ein neues Gerücht über mich zu Ohren kam. Ein blasses Gesicht, das „mit 10kg weniger“ vielleicht ganz passabel wäre und für dessen Gedanken sich niemand interessierte. Lästerstoff lieferte ihnen mein dicker Arsch schließlich genug. Ich zweifelte an mir. Die Abneigung und die Kränkungen anderer kratzten stark an meinem Selbstwertgefühl.
Irgendwann war das Maß voll. Wie oberflächlich muss man sein, um Menschen aufgrund ihrer Äußerlichkeiten abschätzig zu behandeln? Wie unreif, unfreundlich und gehässig muss man sein, um sich stets auf Kosten anderer zu amüsieren? Warum zum Teufel möchte ich Anerkennung von ein paar Idioten, die sich mir nur von ihrer schlechten Seite offenbaren? Ich mag mich. Ihr könnt nichts mit mir anfangen? Der Gruß geht zurück, ich finde euch genauso schrecklich. Heute weiß ich – ich bin mir treu geblieben. Und das bin ich noch heute. Ich war ein Loser, Freak und Querdenker, der – obwohl er es sich gewünscht hat – nie im Strom mitschwimmen durfte. Später wurde mir klar, dass ich es nicht gewollt habe. Und es auch heute nicht so wirklich will. Das ist in Ordnung, denn jeder von uns findet irgendwann Menschen, die genauso wenig im Strom mitschwimmen möchten wie wir es tun. Mit ihnen teilen wir uns eine Wellenlänge, für sie müssen wir uns nicht verbiegen. Dann gibt es keine Freaks mehr, sondern nur noch Freunde.
OUTFIT
Mantel „Elvira“ von Carin Wester via MÅAT Leipzig. Online beim VooStore. // Dress Adidas Originals (alt). Vergleichbares Kleid hier. // Strumpfhosen via ITEM m6. // Schuhe von Zara (alt). Ähnliches Modell hier.
Danke für die ehrlichen Worte!
Ich erinnere mich an ähnliches aus meiner Schulzeit & bin zu demselben Ergebnis gekommen wie du!
xx
Erfahrungen wie diese scheinen sich durch die Jugend vieler Menschen zu ziehen, die aus ihrem Leben schlussendlich weit mehr machen als im Schutz der Herde auf den abgetretenen Pfaden entlang zu trotten. Außenseiter werden Querdenker (oder umgekehrt) und Querdenker können über Kategorien hinweg sehen und neue Wege beschreiten. Wie unendlich viel spannender ist das doch!
Ach Du meine Güte…ich hatte gerade eben ein totales emotionales Chaos in mir, als ich deinen Beitrag gelesen habe. Einfach weil er so wahr ist und ich mich so angesprochen gefühlt habe. Ich war damals auch der Freak und wurde gemobbt. Anfang nur wegen meiner Brille, dann wegen meiner Brille und Zahnspange und zum Schluss dann wegen Brille, Zahnspange und Akne. Ich habe damals sehr darunter gelitten. Ab der 11. Klasse habe ich mich dann nicht mehr dafür interessiert. Ich habe mir gesagt: Ach, leckt mich doch – ich will gar nicht so sein, wie ihr. Ein Mitschwimmer war ich noch nie und werde ich auch nie sein. Mag sein, dass ich auch heute noch „irgendwie anders“ bin, aber so fühle ich mich wohl. So bin ICH und nicht wer anderes. Sollen die anderen sich doch verändern, wenn ich ihnen zu anders bin :o)
Dein Beitrag geht mir sehr nahe und wühlt einige unschöne Erinnerungen auf … Ich wollte immer „dazugehören“ und auch total „hipp“ sein. Es klappte nicht und bereits in der Grundschule wurde ich gemobbt, was auf der weiterführenden Schule weiterging. Dabei war ich nicht auf Konfrontation mit anderen aus, war eher still und sehr introvertiert. Irgendwann kam der Bruch und ich blühte auf. Auf StudiVZ entdeckte ich einige fiese Leute von damals wieder. Einer schrieb mir doch tatsächlich „Du bist ja richtig hübsch geworden“. Plötzlich wollte er in meiner Freundesliste sein. Arsch! Ich denke schon, dass man im Laufe der Zeit eine Entwicklung durchmacht, egal ob man Opfer oder Täter war. Mag sein, dass einem das Verhalten leid tut. Trotz allem ist es total daneben, schwächere Menschen zu unterdrücken und zu mobben. Ich hoffe meinen Kindern widerfährt nicht das gleiche. Da es Jungs sind werden sie vermutlich andere „Probleme“ haben.
Danke, liebe Mia, für diesen ehrlichen Beitrag!
Liebste Grüße
Nicole
Im Ernst? Ich kann das gar nicht fassen. Für mich bist du nicht nur äußerlich eine richtige Schönheit, die ein ganz eigener Typ von Frau ist, sondern auch als Person ein Mensch, den ich gerne in meiner Nähe hätte / habe / auf den ich mich freue :-) Mädchen können grausam sein und ich fühle dir nach. Die Zeiten der Schule liegen zum Glück hinter uns und du bist so eine starke Person, die mich inspiriert. Wie du ja richtig gesagt hast, irgendwann findet man Freunde und dann spielen die ganzen Gemeinheiten und die „Anderen“ keine Rolle mehr. Der Weg bis dort ist hart. Mein Foto hat es zum Glück nur mal auf Hot or Not geschafft und mit einem Tritt gegen das Schienbein der Verantwortlichen (das tat dann richtig weh) konnte ich das Problem lösen. Heute weiß ich, wer schlecht über andere redet ist es nicht wert und sollte sich mal fragen warum. Ich versuche das nicht zu tun, klappt nicht immer aber ich bin mir dann im Klaren darüber, dass es nicht ok ist. Danke und Respekt für deine Offenheit <3
Du bist so lieb, argh!!! Ich hatte dir ja bereits auf Instagram geantwortet. Du bist so ein positiver und extrovertierter Mensch, ich würde mir davon wahnsinnig gerne eine Scheibe abschneiden. Ich hätte dich damals auch irre gerne um mich gehabt. <3 Mädels, Kerle - ich glaube Menschen an sich und unabhängig vom Alter können grausam sein. So ist es ja auch heute noch manchmal und sogar nicht selten in der Blogosphäre. Und das, obwohl sie in meinen Augen eine Hochburg wunderschöner und liebenswerter Sonderlinge ist. Im besten Sinn!
Liebste Grüße an dich!
Mia
Über das Bloggen findet man wirklich richtig abgedrehte Menschen, die ihr Ding machen und sich nicht darum kümmern, was andere davon halten. Im Gegenteil, Sie finden sogar Gleichgesinnte. Das Internet ist Segen und Fluch zu gleich. Gerade in der aktuellen Diskussion um Flüchtlinge und das liebe Pack muss man immer wieder feststellen, wie fies und bösartig Menschen sind. Da schüttel ich immer mit dem Kopf und suche mir wieder Hundefotos zum lachen auf Instagram :-) Wir haben uns ja jetzt, auch wenn wir nur schreiben. Das nächste Event kommt bestimmt oder wir laufen uns mal so über den Weg. Drück dich <3
Wir sehen uns bestimmt bald wieder! Hoffe ich ganz fest! <3
Diese Erfahrungen kann ich fast eins zu eins unterschreiben.. in der Oberstufe hatte ich irgendwann meine eigene Clique der Seltsamen, die nirgendswo anders reinpassten. Aber vorher war es die Hölle – klar, ich war mit meinen Rundungen, der Hautkrankheit und meinem Desinteresse für typische Teenie-Themen das perfekte Mobbing-Opfer. Aber im Rückblick bin ich sogar etwas froh, dass ich keine der oberflächlichen Modepüppchen war, aus denen meine Klasse damals hauptsächlich bestand.. in der Situation braucht man leider meist etwas, um zu realisieren, dass es nicht erstrebenswert ist, zu der Gruppe zu gehören, von der man ausgegrenzt wird.
Das hast du schön geschrieben. Ich musste gerade so grinsen ? ich weiß ganz genau an wen du beim Schreiben gedacht hast ☺️? Freaks, Nerds whatever – MENSCH ?
Hahaha – du hast ja auch Insight! Und du warst damals DIE Ausnahme. Mit dir hätten sie sich gerne angefreundet, doch du hattest keinen Bock auf sie. :p Hach ja – Nostalgie. Unseren Platz an der Heizung vermisse ich manchmal ja doch ein bisschen. :D
Liebst,
Miri
diese zarten jungen frauen ohne hunger. miss sixty jeans und hohe schuhe. bussibussi vor jedem unterricht. gemeinsam rauchen auf dem schulhof, jungsgespräche, dinge, die mich „schockten“. dazwischen ich (wahrscheinlich eigentich ganz hübsch…): größer, kurven, eigentlich wohlproportioniert, aber gegen die „grazien“ eben kräftig, bestenfalls sportlich, mit viel weiblichkeit. kein mut zur schminke, kein bock auf rauchen. schüchtern, nachdenklich, sensibel.
irgendwas zwischen bewunderung und ablehnung für die stromschwimmer.
ich sag zwar immer, ich war nie so ganz ein totaler außenseiter, aber irgendwie auch kein cooles mädchen. irgendwie normal und das war damals fast ein schimpfwort. jetzt, mit 30, fühl ich mich prinzipiell so wohl wie nie….wenn es auch schon mit den teenagerjahren bzw. anfang 20 besser wurde.
ich bin immer noch oft „anders“ als viele, aber ich weiß wer und was mir guttut – zumindest immer besser. und ich stehe zu mir und meinem „komplizierten, empfindlichen wesen“ ;).
danke dir und eine gute nacht!
Dieser Artikel zählt zu den „Dingen die man nie gedacht hätte“, wenn man dich heute kennt! So selbstbewusst und hübsch, aber vielleicht hat dich deine Vergangenheit eben genau zu dem gemacht was Du heute bist!
Hallo Kat!
Ich glaube nicht, dass mich das in dieser Hinsicht beeinflusst hat. Ich habe mich versteckt, als ich viel gemobbt wurde. Es als ich Freunde gefunden habe – wir waren eine ziemlich bunte Clique – wurde ich was Kleidung angeht experimentierfreudiger und durch die tollen Menschen in meinem Umfeld auch Stück für Stück selbstbewusster. :)
Liebe Grüße,
Mia
:-* Nerds sind die schönsten Schwäne – und Du bist eine wundervolle Frau geworden! Ich spreche auch aus Erfahrung… Bin in der Schule sehr gehänselt worden. „Käsegesicht“, klein, pummelig, weißblond, schneeweiße Haut, mopplig… Ich war nur auf einem einzigen Klassentreffen 1 Jahr nach dem Abi… meine Haare waren lang und rot und ich trug einen (geschlossenen) Blazer, eine Perlenkette und nichts darunter. – Ich werde die Blicke nicht vergessen und wenn ich heute so durch meinen Jahrgang schaue, habe ich mich sicher nicht am schlechtesten gehalten ;-) Genieß Dein Phönixdasein!
Sehr schöner Bericht, Mia!
Wenn ich solche Zeilen lese, habe ich als erstes immer einen ganz bestimmten Gedanken: „Und wo sind sie jetzt, die perfekten Mädchen von damals?“. Heute hört und sieht man meistens nicht mehr viel von ihnen, meistens sind genau sie jetzt die grauen Mäuse, weil sie auf ihrem damaligen Entwicklungsstand stehen geblieben sind oder sich zumindest nicht weit davon entfernt haben. War ja auch nicht nötig, sie haben immer schön ins Bild gepasst. Ich glaube man liest hier ganz gut raus, dass auch ich nicht zu den beliebten Mädchen gehörte. Und manchmal frage ich mich, inwiefern das Einfluss auf mich als Mensch genommen hat. Aber das ist eine Frage, die ich selbst nicht beantworten könnte.
Liebe Grüße,
Amelie
Liebe Amelie,
das frage ich mich tatsächlich manchmal auch. Ich kann es in Teilen auch durch die Social Media nachvollziehen. Insoweit weiß ich, dass ich defintiv wohl eher „unkonventionell“ lebe und viele andere eher einen „gängigen Weg“ bevorzugt haben. :) Ob sie sich entwickelt haben oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Die Leute sind mir aus heutiger Sicht jedoch auch vollkommen egal. ;)
Danke für deinen Kommentar! <3
Mia
Sehr schöner Artikel UND, das muss auch noch gesagt werden: wunderschöne Fotos.
Lieben Dank, Theo!
Hallo, dein Beitrag belegt mal wieder meine Theorie, dass die Karten im Leben ab und an neu gemischt werden. Ich kenne einige, die mal sehr cool waren, und die heute ziemlich uncool sind. Und andere, die sich von uncool zu ziemlich cool entwickelt haben. Ich bin heute sehr froh, dass die Jungs, die ich damals cool fand, mich nicht cool fanden. Denn sonst wäre ich an denen womöglich noch hängen geblieben.
Ich selbst hatte Glück. In meinem Abschlussjahrgang gab es alle Varianten an Typologien. Aber zum Glück gab es kein Mobbing. Im Gegenteil. Da war Platz für jeden – umd dafür bin ich immer noch sehr dankbar. Unser Jahrgang war dafür sehr kreativ, vielfältig und inspirativ.
Mach weiter dein Ding, ohne dich von früher runter ziehen zu lassen!
Ciap, Mirjam
Liebe Mirjam,
es ist schön zu lesen, dass es in anderen Schulen auch ohne Druckkaskade und Mobbing funktioniert hat. In meinem Bekannten- und Freundeskreis habe ich bei vielen Leuten erfahren, dass Mobbing ein Thema für sie war. Egal ob in der Arbeit, der Schule oder im Studium. Ätzend, wenn man bedenkt wie normal es inzwischen zu sein scheint. Da freut mich eine Ausnahme umso mehr. <3 Danke für deine lieben Worte!
Greetz,
Mia
simply <3
aber wer hat dir meine Jugend so genau erklärt????? ;)
LG Susi
Merci, liebe Susi! Ich weiß nicht, vermutlich teilen viele von uns dieselben beschissenen Erfahrungen. :D
Du sprichst mir aus der Seele, denn anders erging es mir nicht. Im nachhinein vielleicht gar nicht mal so schlecht, denn so hatte ich immer das Bedürfnis mich zu verbessern. Und ich glaube mittlerweile denken sich viele aus meiner Schulzeit: krass.
Und das gleiche gilt bestimmt auch für dich! Du bist wahnsinnig schön! :)
Liebst,
http://judithlu.blogspot.com
Du bist irre hübsch. Ich bewundere dich für deine postive Einstellung! Und diesen Anspruch, sich immer zu verbessern kenne ich. Das hatte ich jedoch schon als Kind. Manchmal etwas nervig, hehe. :D
Liebe Grüße an dich, Judith!
Toller Post!
Ich habe mich wirkich wieder erkannt! Ich war auch der Freak und Streber, vor allem in der Mittelstufe. Aber aus der Frustration wurde auch bei mir Trotz. Ich dachte mir dann okay „jetzt-erst-recht“ und ich würde es immer wieder so machen.
Letztlich habe ich in der Oberstufe und Uni viele tolle Menschen kennengelernt. An diese Zeit denke ich mittlerweile recht wenig – das ist vorbei. Zum Glück!
viele Grüße
Vera
http://veraalive.blogspot.de
Lieben Dank für dein Kompliment! :D
[…] es mich sehr häufig ins MÅAT. Ich habe dort schon häufiger eingekauft, unter anderem meinen Oversize Mantel von Carin Wester. Ich mag die Labels, die sich im Concept Store auf den weißen Kleiderstangen aneinanderreihen. Im […]